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Filmkritik

Bankenrettung als Selbstzweck?

Renate Röckenwies, Infomail 809, 30. März 2015

„Wer rettet wen?“ (Who’s saving whom?) fragt ein neuer Film aus dem finanzmarktkritischen Spektrum. Er setzt die Reihe fort, die mit „Lets make money“ oder  „We feed the world“ begonnen wurde, auch wenn die AutorInnen andere sind (http://whos-saving-whom.org).

Der zweite Teil des Titels - „Die Krise als Geschäftsmodell“ - macht schon deutlich, dass es hier um Bankenrettung und Rettungspakete geht. Der Film bringt diese dann in logische und richtige Zusammenhänge mit geplatzten Blasen und sich zersetzenden Gesellschaften. So ist die Antwort des Films auf die Titelfrage eindeutig: Die Menschen retten die Banken. Eine richtige Antwort, insoweit der Film klarstellt, dass nicht Deutschland oder gar die „Troika“ Griechenland rettet, sondern die Masse der Bevölkerung die Banken, v.a. die deutschen und französischen. Falsch ist die Antwort dennoch - oder besser, sie bleibt auf einem Drittel des Weges stehen -, weil sie dafür keinen anderen Grund angibt, als dass die Banken weiter Profite machen können, was die Bezeichnung „Geschäftsmodell“ schon nahelegt. Mit Kapitalismus aber hat das für die Filmemacher nichts zu tun.

Der Film startet in Griechenland. Wo sonst. Er zeigt die Verwüstungen im sozialen Bereich: Menschen ohne Krankenversicherung, ÄrztInnen, Schwestern, ApothekerInnen, die umsonst helfen, Putzfrauen, die entlassen wurden, weil 10% des Personals in den Ministerien abgebaut werden mussten. Linke Wissenschaftler erklären dazwischen, wie die Schulden, die Griechenland bei den Banken hat, erst letzteren gewaltige Profite verschafft hatten, dann aber von den Troika-Institutionen übernommen wurden - verbunden mit einem gewaltigen Erpressungspaket, wie diese Schulden zu bezahlen sind. „Reformen“ nennen Reaktionäre wie Schäuble dies dann.

Sehr schön ergänzt wird all das durch die Darstellung eines ehemaligen Finanzjongleurs, wie mit Swaps die Schulden Griechenlands beim Eurobeitritt mit Wissen oder gar Beteiligung von Leuten wie Draghi versteckt wurden, die heute dreist diese Schulden der Bevölkerung aufhalsen.

Ähnlich eindrucksvoll werden die spanische Bauboom-Blase in Verbindung mit großzügigen Krediten für gering Verdienende gesetzt und die letztlich dahinter stehenden deutschen Banken dargestellt. Die Folgen sind massenhafte Vertreibungen aus den Wohnungen, ohne dass dadurch die Schulden beglichen wären. Es wird die Verzweiflung, aber auch die Selbstorganisation der Menschen gezeigt und ihr Widerstand.

Aber spätestens an dieser Stelle wird den FilmemacherInnen ihr ökonomisches Unverständnis der Krise zum Hindernis. Es wird suggeriert, dass es die unverantwortlichen Kredite der Banken waren, die letztlich nicht nur zum persönlichen Desaster vieler Menschen geführt haben, sondern auch zur Krise. Die alte, aber falsche Erklärung also, die von Attac, Linkspartei und dem ganzen reformistischen Rest immer neu aufgewärmt wird. Ohne den kreditfinanzierten Bauboom wäre die Krise in Spanien natürlich schon früher gekommen, ebenso in den USA. Die Krise wurde verschoben und somit verschärft.

Natürlich sind die Banken die mächtigsten Institutionen im Kapitalismus. Sie sind die konkrete Form, in denen das Finanzkapital auftritt und handelt. Aber das Problem des Kapitalismus ist, dass die Anlagemöglichkeit im produktiven Bereicht, also dort, wo der Mehrwert geschaffen wird, keine ausreichend hohe Rentabilität erwarten lässt - und damit immer größere Massen „überschüssigen“ Kapitals in andere Sphären fließen. Die Krise kommt also aus der „Realwirtschaft“, wie sie die Kritiker des „finanzmarktgetriebenen Kapitalismus“ gern nennen - und dabei den Sachverhalt total verkennen.

Schulden sind also nicht nur ein scheinbar cleveres Geschäftsmodell, sie sind immer auch eine Spekulation auf zukünftige Profite. Da diese Profite heute in der „Realwirtschaft“ nicht zu erwirtschaften sind, werden die Schulden scheinbar zum Selbstzweck. Können sie jedoch nicht mehr bedient werden, könnte das zu einem Zusammenbruch des ganzen Systems führen. Das ist die Logik der Bankenrettung.

Im Film gibt’s leider nichts, was auch nur in Richtung Kapitalismus-Kritik ginge. Nicht nur die spanische Bau-Blase hätte Fragen aufwerfen können, auch die Behauptung der Bankenretter, dass diese „zu groß zum Scheitern“ wären oder „systemrelevant“ seien, könnten ja mal zur Nachfrage dienen, warum denn die Banken so wichtig für das System sind. Das Finanzkapital ist ja nicht deshalb das dominierende Kapital, weil es nebensächlich im Funktionieren des Systems wäre. Natürlich ist es zugleich Ausdruck dafür, dass das System krank ist. Aber es gibt keine Heilung für dieses System, es muss abgeschafft werden.

Ein deutscher Aktivist darf am Ende des Films noch erklären, dass die Kapitalmenge weltweit stärker als die Wirtschaftsleistung wächst und deshalb irgendwann die Zinsen die gesamte jährliche Wertschöpfung beanspruchen, für die Menschheit also nichts zu beißen übrig bleibt. Dies drückt die Krankheit aus. Der Aktivist darf aber nicht sagen, ob er deshalb das Profitsystem abschaffen will oder aber nur der Utopie nachhängt, man könne die Zinsen abschaffen, wie es viele der kleinbürgerlichen TräumerInnen wollen, die so den Kapitalismus gesund machen wollen.

Die AutorInnen des Films gehören wohl in diese Kategorie. Wenn es darum geht, zum Schluss noch Perspektiven zu präsentieren, wird es richtig dünn. Tapferer Aktivismus, wie die Aktionen gegen Vertreibungen aus Wohnungen, ist lobenswert, bleibt aber reine Sisyphus-Arbeit, wenn die Macht des Kapitals und seines Staates nicht attackiert wird.

Komplett peinlich wird es, wenn den Zuschauern das isländische Erfolgsmodell präsentiert wird. Verschiedene VertreterInnen von Listen, die an der 2010 gewählten linken Regierung beteiligt waren, erklären, dass sie die Ärmsten geschont hätten und Betriebe, bei denen es ums Überleben gegangen wäre. Es gab eine Sondersteuer für die Reichen, aber wer letztlich wie viel gezahlt hat, bleibt im Dunkeln. Dass diese Regierung 2014 abgewählt wurde, wird verschwiegen. Ebenso die Tatsache, dass die isländischen Banken weniger das Geld von Großbanken verspekuliert hatten, sondern das von Anlegern der Mittelschicht aus Westeuropa. Die machten natürlich auch keine Umschuldung á la Griechenland oder Irland nötig. Diese bewusste „Schlampigkeit“ entwertet leider die guten Recherchen bei den anderen Ländern. Sie läuft auch auf eine „Alternative“ hinaus, die genauso wenig trägt, wie die aller Reformisten.

Wenn der Kapitalismus nicht nur nicht in Frage gestellt wird, sondern auch nicht wirklich angegriffen wird, ist logischerweise auch keine Suche nach einer Kraft nötig, die diesen attackieren, ihn stürzen und durch ein neues System ersetzen könnte. Nein, die organisierte Arbeiterklasse kommt nicht vor. Zugegeben, die Generalstreiks in Griechenland oder Spanien haben auch nicht wirklich etwas verhindert. Aber die Frage „Warum nicht?“ könnte durchaus zu tauglicheren Antworten führen als das Befragen des ausgestiegenen Finanzjongleurs nach einer Perspektive. Dieser wünscht sich mehr Realwirtschaft als Finanzmarkt.

But: It´s capitalism, stupid!

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