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Türkei

Sieg dem Streik der Metall-Arbeiter*!

Svenja Spunck, Infomail 797, 1. Februar 2015

Am Morgen des 29. Januar 1015 legten in der Türkei 15.000 Arbeiter aus der Metall-Branche ihre Arbeit nieder. Der linke Gewerkschaftsverband DISK (Devrimci ??çi Sendikalar? Konfederasyonu - Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften) hatte zum landesweiten Streik in rund 40 Fabriken aufgerufen. Darunter sind auch viele multinationale Konzerne wie Schneider, Alstom und Mahle.

Anlass für diesen Streik ist das Scheitern der Verhandlungen um den Tarifvertrag für die Periode 2014-16, die zwischen der in der DISK organisierten Gewerkschaft Birlesik-Metal Is und dem Unternehmerverband MESS geführt wurden.

Erschwert wird der Kampf zusätzlich durch die Zersplitterung der Gewerkschaften. Obwohl verhältnismäßig wenig Beschäftigte organisiert sind, existieren unzählig viele Gewerkschaften, wovon viele eng an staatliche Interessen gebunden sind. So hat die unternehmernahe Vereinigung „Turk Metal“ einer Verlängerung der Laufzeiten der Tarifverträge (auf 3 Jahre) und einem kontinuierlichen Falle der Löhne zugestimmt.

Birlesik-Metal Is hingegen fordert eine wesentliche Lohnerhöhung und einen Ausgleich des hohen Gefälles von Löhnen in der Metallbranche. Der Unternehmerverband MESS hingegen will nicht nur die weitaus schlechteren Konditionen durchsetzen/beibehalten, sondern auch die Verlängerung der Laufzeiten der Tarifverträgen auf 3 Jahre vorsehen, statt 2 Jahren wie bisher. Auch das Einstiegsgehalt für neue Arbeiter liegt nach diesem Vertrag kaum höher als der Mindestlohn (400 Euro pro Monat). Deshalb stimmten auf den Betriebsversammlungen in den letzten Wochen große Mehrheiten für einen Streik, trotz der repressiven Gesetze in der Türkei.

Denn ein Streik, der er einmal begonnen wurde, endet oft nur auf zwei Arten. Entweder es kommt zu einer Vereinbarung oder er wird verboten. Sollte es zu keiner Vereinbarung kommen, verliert die Gewerkschaft übrigens ihre rechtliche Legitimation, weiterhin Tarifverhandlungen zu führen.

Bevor es dazu kommen konnte, entschied sich die Regierung jedoch dazu, den Streik zu verbieten. Dafür wurde im türkischen Gesetz ein besonderer Artikel geschaffen, der nämlich Streiks, sollten sie die „allgemeine Gesundheit oder die nationale Sicherheit gefährden“, für illegal erklärt. So geschah es auch am 30. Januar, einen Tag nach Beginn des Streiks. Die Arbeiter wurden aufgefordert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, andernfalls droht allen die fristlose Entlassung. In drei der betroffenen Fabriken wurden daraufhin schon von den Arbeitern Besetzungen gestartet und für den 31. Januar wurden Versammlungen einberufen, die über das weitere Vorgehen berät. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Besetzungen ausgeweitet und der Streik fortgeführt wird. Sollte dies der Fall sein, muss dieser Streik nicht nur als „normaler“ gewerkschaftlicher Arbeitskampf, sondern als politischer Streik geführt werden müssen, wenn er Erfolge erzielen will. Bisher haben zwar linke Gruppen und auch viele Gewerkschaften aus Europa ihre Solidarität bekundet, jedoch nur auf dem Papier.

In Deutschland findet gerade die Tarifrunde der IG Metall statt und damit auch in vielen Betrieben, die auch in der Türkei bestreikt werden. Doch wie vielen ArbeiterInnen ist dort klar, welche Zusammenhänge zwischen ihren Interessen und denen der türkischen Arbeiter bestehen? Einigen sicher. Doch die Führung der IG Metall setzt die Masse bewusst nicht über diese Zusammenhänge in Kenntnis und nimmt damit allen Streikenden den Wind aus den Segeln. Über die letzten Monate hinweg gab es sogar beschwichtigende Briefe von der IG Metall-Bürokratie an die DISK, in der darum gebeten wurde, die Füße still zu halten. Deshalb ist es wichtig, dass sich oppositionelle GewerkschafterInnen solidarisch erklären und Informationskampagnen starten! Wieso sollte man in der aktuellen Tarifrunde nicht auch die Forderungen der türkischen Kollegen aufgreifen, wenn der Chef im Prinzip der gleiche ist?

Der Arbeitskampf in der Türkei ist auch gleichzeitig ein Kampf um demokratische Rechte. Eine Regierung, die nach dem Tod von 300 Grubenarbeitern im Jahr 2014 sagt, in diesem Beruf habe man eben mit dem Unfalltod zu rechnen, hat keine Legitimation, einen Streik aus „gesundheitlichen Gründen“ zu verbieten.

Doch auch wenn dieser Streik von 15.000 Arbeitern einer der größten in den letzten Jahren ist, so kann er zerschlagen werden, wenn er keine politische Solidarität erfährt. Der von der türkischen Linken beschworene Geist der Gezi-Proteste wird genau in solchen Situationen gebraucht! Auf den Straßen und Plätzen sollten Demonstrationen und Kundgebungen stattfinden, die die Forderungen der Gewerkschaft unterstützen und aufs Neue die Regierung in Frage stellen, die sich durch massive Repressionen am Leben hält.

Dass die Gewerkschaft DISK diesen Streik ausgerufen hat, ist der Schritt in die richtige Richtung. Alle Lohnabhängigen, alle Strömungen der ArbeiterInnenbewegung sollten diesen unterstützen, ihre Basis mobilisieren und auch helfen, gemeinsam die besetzten Fabriken gegen Angriffe von Polizei und Militär verteidigen! Es geht bei diesem Streik nicht nur um einzelne, branchenspezifische Forderungen, sondern um die Verteidigung grundlegender gewerkschaftlicher Rechte. Da diese Regierung eher mit militärischer Gewalt vorgeht, als mit sich verhandeln zu lassen, braucht es politische Solidaritätsstreiks – wenn nötig bis hin zum Generalstreik zur Verteidigung der Gewerkschaftsrechte -, um die Forderungen der türkischen Metallarbeiter durchzusetzen.

* In diesem Artikel wurden die „Metallarbeiter“ nicht gegendert, da erfahrungsgemäß in der Türkei keine Frauen im Metallsektor arbeiten. In einer ersten Fassung wurde der Unternehmerverband MESS ungewollt mit der unternehmernahen Gewerkschaft Turk Metal verwechselt. Wir bitten, diesen Irrtum zu entschuldigen.

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