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Streikrecht

Offener Brief an alle Mitglieder in DGB-Gewerkschaften und ihre Gremien zu GDL-Streik und Tarifeinheit

Initiative »Hände weg vom Streikrecht – für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«, Infomail 783, 20. November 2014

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

aus aktuellem Anlass wenden wir uns an euch: Mit dem von der Großen Koalition geplanten und von Bundesministerin Nahles vorgelegten Entwurf zum Tarifeinheitsgesetz soll das Streikrecht massiv eingeschränkt und teilweise beseitigt werden. Es soll im Falle von „Tarifkollision“ nur noch einer sog. Mehrheitsgewerkschaft zustehen. Es wird ein Zwei-Klassen-Gewerkschaftssystem geschaffen, nach dem die Minderheitsgewerkschaft nur noch vom Arbeitgeber „angehört“ werden muss und den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft „nachzeichnen“ darf.

Vor diesem Hintergrund geht es im Konflikt der GDL mit der Deutschen Bahn nicht mehr nur darum, ob die GDL ihre Tarifforderungen durchsetzt oder wie viele Mitglieder die GDL oder die EVG jeweils vertreten. Bundesregierung, Bahnvorstand und die EVG haben versucht, die GDL zu zwingen, die Bedingungen eines solchen Gesetzes quasi „im Vorhinein” zu akzeptieren, bevor das Gesetz zur Tarifeinheit überhaupt verabschiedet wurde und rechtliche Gültigkeit erlangt hat. Die GDL streikt derzeit also nicht nur für ihre eigene Existenz, sondern sie streikt auch dagegen, dass es ein Tarifeinheitsgesetz mit der gleichen Wirkung für alle Gewerkschaften geben soll. Dem grundgesetzwidrigen Angriff auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht hätte quasi mit dem Argument, „die GDL hätte es doch eingesehen” eine Scheinlegitimation verliehen werden können. Große Koalition und Bundesarbeitsministerin Nahles hätten einen ersten kleinen „Sieg“ davon getragen und der ungeheuerlichen Verleumdungskampagne gegen die Streikführung der GDL und ihren Vorsitzenden zusätzliche Nahrung gegeben. Richter des Arbeitsgerichts Frankfurt und des hessischen Landesarbeitsgerichts haben nun diesem Vorhaben der Deutschen Bahn einen Riegel vorgeschoben, indem sie in zwei Verfahren das Streikrecht der GDL bestätigt und ihre Streiks für verhältnismäßig erklärt haben.

In dieser Auseinandersetzung geht es also nicht darum, wie DGB-GewerkschafterInnen zu der Frage von Sparten- und Berufsgewerkschaften stehen; ob wir diese gut oder schlecht finden, ob – historisch gesehen – Berufsgewerkschaften im Vergleich zur Einheitsgewerkschaft einen Rückschritt darstellen oder nicht. Die Interessen einzelner Beschäftigter und Berufsgruppen führen immer wieder zu Konflikten und Konkurrenzen auch innerhalb und zwischen DGB-Gewerkschaften.

Im Konflikt zwischen der Deutschen Bahn/EVG/Bundesregierung und der GDL geht es um eine grundsätzliche gesellschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Interessen des Kapitals und des Staates auf der einen Seite und den Interessen der Lohnabhängigen auf der anderen Seite! Und es geht darum, ob es uns gemeinsam gelingt, diesen Angriff auf das Koalitions- und Streikrecht abzuwehren oder nicht!

Darum stellt sich die Frage, ob DGB-GewerkschafterInnen – wegen der Differenzen, die wir mit Spartengewerkschaften haben – ihnen in diesem Konflikt die Solidarität verweigern wollen. Ob wir weiter zusehen wollen, wie eine kleine Gewerkschaft in die Knie gezwungen werden soll. Eine Niederlage der GDL würde die schleichende Aushebelung der Rechte aller und aller Gewerkschaften verstärken. Grund- und Freiheitsrechte wie das Streikrecht müssen immer wieder verteidigt werden; gerade jetzt in Krisenzeiten sind sie europaweit bedroht, bereits eingeschränkt oder sogar abgeschafft worden wie z. B. in Italien und Griechenland. Wollen wir DGB-GewerkschafterInnen zulassen, dass eine kleine Gewerkschaft gezwun­gen werden kann, quasi „stellvertretend” für uns, als Erste über die Klinge eines Tarifeinheitsgesetzes zu springen, bevor ein solches Gesetz überhaupt verabschiedet geschweige denn rechtskräftig wurde? Wir meinen nein, wir können und dürfen nicht zulassen, dass das Streikrecht eingeschränkt wird!

Wir erinnern daran, dass der DGB-Kongress im vergangenen Mai mehrheitlich der gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit eine Absage erteilte, ver.di sich eindeutig von diesem Vorhaben distanzierte und auch der IG Metall Vorsitzende seine Bedenken geäußert hat. Nicht zuletzt erinnern wir daran, dass in vielen gewerkschaftlichen Gremien, mannigfaltige und eindeutig ablehnende Stellungnahmen gegen das Vorhaben der Tarifeinheit durch Gesetz verabschiedet wurden. Entsprechend dieser Willensäußerungen der Mitgliedschaft der DGB-Gewerkschaften ist es jetzt an der Zeit, den Worten und Beschlüssen auch Taten folgen zu lassen:

Wir fordern euch dringend auf, nicht länger schweigend zuzusehen, wie einer „Konkurrenzgewerkschaft” der Garaus gemacht wird! Deshalb erwarten wir von euch, dass ihr umgehend eindeutige, öffentliche Signale setzt, dass die DGB-Gewerkschaften sich mit dem Kampf der GDL gegen die Logik eines Tarifeinheitsgesetzes solidarisieren und sich der Vorgehensweise des EVG-Vorstandes in diesem Konflikt, der im Einklang mit der Bundesregierung und dem Bahnvorstand der GDL eine Tarifeinheitslogik im Sinne des geplanten Gesetzes aufzuzwingen versucht, entgegenstellen.

Wir fordern euch auf, das politische Gewicht der DGB-Gewerkschaften zur Verteidigung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht in die Waagschale zu werfen, diesen gesellschaftlichen Grundkonflikt in Betriebe und Büros zu tragen, zu Solidaritäts-Aktionen mit der GDL und Protestaktionen gegen das geplante Gesetz aufzurufen und so dazu beizutragen, dass das Gesetz zur Tarifeinheit nicht verabschiedet wird!

Hände weg vom Streikrecht – volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit für Jede und Jeden!

Grundrechte gelten für Alle – Solidarität mit der GDL ist gewerkschaftliche Pflicht!

Mit solidarischen Grüßen

Initiative »Hände weg vom Streikrecht – für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«

www.streikrecht-verteidigen.org

 

Folgende Personen unterstützen als Erstunterzeichnende diesen Offenen Brief (alle Funktionsangaben dienen ausschließlich der Kenntlichmachung der Person):

Christiaan Boissevain (IGM, Betriebsrat, München); Udo Bonn. IGM, (ehem. BRV Atlas Copco Energas Köln); Helmut Born (Betriebsratvorsitzender, Mitgl.im Landesbezirksvorstand ver.di NRW); Eberhard Doths (Stellv. Vorsitzender verdi Ortsverein Gronau/Ahaus und Mitglied im Kreisvorstand des DGB Kreis Borken); Barbara Emme (BR bei Kaisers und ver.di Mitglied); Gregor Falkenhain (ehem. Landesfachbereichsleiter bei Verdi NRW); Matthias Fritz (BR-Mitglied Mahle Stuttgart, IG Metall); RA Dr. Rolf Geffken, Arbeitsrechtler Hamburg; Jochen Gester (Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin); Thies Gleiss (BRV und Delegierter der IGM Köln-Leverkusen); Willi Hajek (Tie – transnationals information exchange); Christa Hourani, (Betriebsrätin, VK-Leiterin Daimler Zentrale Stuttgart, Delegierte Vwst. Stuttgart); Almut Jürries, IG Metall-Mitglied; Günther Klein (PR, Vorsitzender Fachbereich 5 ver.di Stuttgart); Klaus-Peter Löwen, (ehem. stv. GBR-Vorsitzender Alcatel-Lucent Deutschland AG, IGM); Gertrud Moll, ehem. Betriebsrätin Bosch Feuerbach; Detlef Mühling (verdi, Kassel); Martin Radde, Vorsitz. ver.di OV Gronau-Ahaus; Andrea Renke-Krapf (Vertrauensfrau Deutsche Post Kassel, Ver.di); Jakob Schäfer (IGM, ehem. BRV; Del. Vwst. Wiesbaden-Limburg und Mitglied im Arbeitsausschuss der Gewerkschaftslinken); Helga Schmid (BR Ver.di);Jürgen Senge (ver.di-Landesbezirksvorstand NRW); Michael Weissenfeldt (Offenbach, NGG); Mag Wompel (Bochum, ver.di, Labournet Germany

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Nr. 194, November 2014
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*  Gesetz zur Tarifeinheit: Weg mit der Einschränkung des Streikrechts!
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