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Republik Zentralafrika

Gegen die französische Militärintervention!

KD Tait, Infomail 721, 27. Dezember 2013

Die französische Regierung hat 1.600 Soldaten in die Republik Zentralafrika (ZAR) geschickt, um im Gefolge eines Plans der UNO die Rebellenmilizen zu entwaffnen und in einem Land, das durch Jahrzehnte Ausbeutung unter Ägide des französischen Imperialismus destabilisiert ist, „wieder Ordnung herzustellen“.

Zusammenstoß zwischen den Milizen

Mehr als 450 Menschen, v.a. ChristInnen, sind bei Zusammenstößen zwischen den überwiegend moslemischen Séléka-Milizen und den christlichen Anti-Balaka Selbstverteidigungskräften getötet worden.

Die Séléka („Union“ in der Sprache der Sango), ein loser Verbund aus unabhängigen Rebellenkräften, der im März 2013 Präsident François Bozizé stürzte. Ihr Anführer, Michel Djotodia, ernannte sich selbst zum Nachfolger. Trotz der formalen Auflösung der Séléka-Koalition haben manche Teile ihre Entwaffnung verweigert. Stattdessen machten sie sich an Plünderungen und Angriffe auf die christliche Bevölkerung, von denen wiederum Abteilungen zu Vergeltungsmaßnahmen gegen moslemische Stadtviertel und Dörfer griffen.

Es ist klar, dass die Tötungen mehrheitlich von Elementen den Rebellenarmeen begangen wurden, die sich einen Vorteil aus dem Zusammenbruch des Staatsapparats verschafften, um zu plündern, zu vergewaltigen und Rache an jenen Teilen der Bevölkerung auszuüben, die sie als von den vorhergehenden Regierungen privilegiert einschätzen.

Während der Konflikt somit von Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gemeinschaften geprägt ist, sollten wir die Rede von einem drohenden „Völkermord“ der ChristInnen durch die Moslems zurückweisen. Dieses spiegelt nicht die Wirklichkeit vor Ort wider. Die moslimische Bevölkerung der ZAR beläuft sich auf 15%. 50% sind ChristInnen und 35% hängen diversen traditionellen afrikanischen Glaubensrichtungen an.

Die vermeintliche Gefahr eines Völkermords, die mit der rassistischen Idee liebäugelt, dass SchwarzafrikanerInnen irgendwie anfällig seien, sich wegen ihrer religiösen Überzeugungen gegenseitig zu massakrieren, ist geeignet, den Zwist mit dem ruandischen Genozid gleichzusetzen und Unterstützung für ein Eingreifen von außen zu stärken.

Die diversen moslemischen Rebellengruppen, die gemeinsam die Séléka-Allianz bilden, stehen seit 2006 in sporadischen Querelen mit der Zentralregierung. Die grundlegenden Ursachen des Konflikts sind eher wirtschaftlicher als religiöser Natur. Eine Politik systematischer Unterentwicklung und der wirtschaftlichen Ausbeutung des moslemisch dominierten Nordens des Landes, teilweise Ergebnis der Zahlungsschwierigkeiten der Zentralregierung, die eine aufgeblähte und ineffektive Verwaltung in den mehrheitlich christlichen Städten unterhält, wurde durch eine Auseinandersetzung zwischen den Gemeinden um Land verschlimmert: zwischen islamischen ViehzüchterInnen und sesshafter Bauernschaft in christlichen Gebieten.

Heuchelei

Obwohl französisches Militär unter dem Vorwand aufmarschierte, die Séléka-Guerilla zu entwaffnen, muss diese Intervention im größeren Zusammenhang betrachtet werden.

Frankreich war direkt oder indirekt in Ermordung oder Sturz jedes einzelnen Oberhauptes der ZAR verwickelt, seitdem sie 1958 erstmals ihre Unabhängigkeit gewann. Es hat nie eine verfassungsmäßige Regierungsübergabe stattgefunden.

Die Heuchelei der Regierungen in Paris, „linker“ wie rechter, wird durch die jüngste Geschichte ihrer Beziehungen zu Regimes der ZAR offenbar. 2006 entsandte Frankreich Mirage-Kampfjets, um die  Séléka-Truppen anzugreifen, als Antwort auf ein Gesuch des damaligen Alliierten, François Bozizé, der selbst durch einen Putsch mit Rückenstärkung durch die Franzosen an die Macht gekommen war. Als Bozizé mit China über ein Tauschgeschäft - Infrastruktur gegen Bodenschätze - zu verhandeln begann, entschied Frankreich, die von Michel Djotodia geleitete Séléka-Koalition zu unterstützen.

Dass Frankreich nun behauptet, es „entwaffne“ die Milizen (mit logistischer Hilfe seitens Großbritanniens und der USA), ist  eine dreiste Lüge, v.a. da europäische Rüstungsfirmen, welche die ZAR und ihre Nachbarn weiterhin mit Waffen im Wert von Millionen Euro überfluten.

Imperialismus

Frankreich interveniert jetzt nur, weil Djotodia die Milizen nicht kontrollieren kann, deren Raserei die Region weiter zu destabilisieren droht. Dieses Verlangen nach einem folgsamen, aber intakten Regime steckt hinter Staatspräsident Hollandes Kommentaren, Djotodia möge „ersetzt werden“, da er „verantwortlich“ für den Kollaps von Recht und Ordnung sei.

Nach den jüngsten militärischen Abenteuern Frankreichs in der Elfenbeinküste, Libyen und Mali wird deutlich, dass Paris entschlossen ist, seine imperiale Rolle in Mittelafrika zu bekräftigen, die es zu einem bedeutenden Grad im Gefolge des ruandischen Völkermords verloren hatte, nachdem sein Einfluss durch die Dominanz USA ersetzt worden war.

Chinas Strategie im Afrika südlich der Sahara hat in Paris, London und Washington die Alarmglocken läuten lassen. Im Gegenzug für Erschließungs- und Förderrechte von Erzen bietet Peking großzügige Infrastruktur-Hilfe, um die Unterentwicklung zu überwinden, die das Vermächtnis eines Jahrhunderts französischer und britischer kolonialer und neokolonialer Herrschaft ist. Solche Verträge ziehen die Aufmerksamkeit lokaler Eliten auf dem gesamten Kontinent auf sich.

Frankreichs historische Rolle als kolonialer Herrscher und wirtschaftliche Investitionen französischer multinationaler Konzerne wie TOTAL und Bolloré bedeuten, dass es bestens aufgestellt ist, wenn es die Gendarmenrolle spielt und eine Nachricht an China sendet, dass der westliche Imperialismus nicht bereit ist, seine Einflusssphäre aufzugeben.

Aber die selbst deklarierten Ziele der französischen Militärmission sind schwer umsetzbar, wenn nicht unerreichbar. Frankreich wird wahrscheinlich unfähig sein, die Guerillastreitmächte militärisch zu besiegen und zu entwaffnen. Viele sind in Nachbarländern wie dem Südsudan, Kongo und Tschad stationiert, die alle nicht über die Fähigkeit verfügen, sie zu unterdrücken. Deshalb bevorzugen sie, diese Milizen als Stellvertreter zu unterhalten, um ihre regionalen Interessen zu vertreten. Außerdem existiert kein „Ausstiegskonzept“. Die einzige, für den französischen Imperialismus akzeptable „politische Lösung“ ist eine, die die Einsetzung einer Regierung ins Auge fasst, die für die ökonomische Durchdringung durch Frankreich günstig ist.

Frankreich hegt nicht die Absicht, die Wirtschaft der ZAR in einem Maße zu fördern, die dieser gestattete, einen gewissen Grad von Souveränität auszuüben. Vielmehr will es eine Regierung einsetzen, die auf militärischen Schutz durch Frankreich angewiesen ist - im Tausch für das Recht, die Ausbeutung der Reserven der ZAR an Diamanten, Uran u.a. Rohstoffen voranzutreiben und zu monopolisieren.

Wir verurteilen deshalb unzweideutig die Militärintervention Frankreichs. Sie verfolgt keinen anderen Zweck als sicherzustellen, dass Frankreich an Stelle einer anderen Macht die Schlüssel zu den Ketten in der Hand behält, um die Bevölkerung der ZAR niederhalten. Es ist verständlich, dass Teile der Bevölkerung jede Kraft begrüßen, die ihnen Schutz vor mordenden Banden verspricht. Aber die einzige Kraft, die sie befähigen kann, ihre eigene Zukunft zu bestimmen, ist die politische Unabhängigkeit und Selbstorganisation der armen Bauern und ausbeuteten städtischen Klassen selbst.

In den imperialistischen Ländern selbst besteht die oberste Priorität für RevolutionärInnen darin, sich gegen jeden Militäreinsatz und alle wirtschaftliche Unterordnung durch jedwede ausländische Macht zu stellen. Wir müssen die Lüge entlarven, dass Frankreich oder die UNO beabsichtigen, den versklavten Nationen Afrikas Selbstbestimmung zu gewähren. Wir treten für den sofortigen Abzug der imperialistischen Truppen ein. Von den französischen u.a. Imperialisten fordern wir die Entschädigung für die historische (halb)koloniale Unterdrückung und Plünderung.

Gegen die weißen Erlöser mit Blauhelmen setzen wir das Recht der Bevölkerung, Waffen zu erhalten und sich selbst zu verteidigen. Wir unterstützen die Organisierung kollektiver Selbstschutzeinheiten, die die ethnischen und religiösen Spaltungen überwinden und das Volk ermächtigen, plündernde und mordende Freischärler zu schlagen.

Die gegenwärtige Krise in der ZAR kann nur überwunden werden, wenn auch ihre sozialen und wirtschaftlichen Ursachen angepackt werden, um die großen Fragen des Landes (Landfrage, Infrastruktur, Armut und Verelendung, Wohnen, Gesundheit ...) zu lösen, um den Kreislauf von Krise, imperialistischer Plünderung und Zerfall zu durchbrechen. Dazu braucht es eine politische Kraft jenseits ethnischer und religiöser Spaltungen, einer revolutionären Arbeiterpartei, die für eine Arbeiter- und Bauernregierung kämpft.

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