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Lufthansa

Vom Streik zur Schlichtung

Peter Lenz, Infomail 642, 18. September 2012

Ende August/Anfang September 2012 sind tausende FlugbegleiterInnen für ihre Forderungen in den Streik getreten, haben erst einen, dann drei und schließlich alle Flughäfen in Deutschland lahmgelegt. Die Forderungen: Keine Leiharbeit, Lohnerhöhungen ohne Arbeitszeitverlängerung.

Am Freitag, dem 7. September,  kam die Meldung, dass die Lufthansa-Führung keine Leiharbeit mehr zulassen will und sich für die Gehaltsforderungen auf ein Schlichtungsverfahren einlassen will. Sieg also? Noch ist nichts in trockenen Tüchern, aber der Streik scheint gesessen zu haben, das Lufthansa-Management hat sich offensichtlich gründlich getäuscht, was die Kampfbereitschaft der FlugbegleiterInnen anbetrifft. Die Streikenden haben einen sehr entschlossenen und kämpferischen Eindruck gemacht, Demos durchgeführt, massenhaft Streikposten gebildet.

Die Vorgeschichte

Früher galt der Beruf  des Flugbegleiters oder Flugbegleiters  als Traumberuf, der es einem ermöglicht, die Welt zu sehen und das bei guter Bezahlung. Das mag, wenn auch nur teilweise, zutreffend gewesen sein. Doch die weltweite Krise des Kapitalismus ging auch an den Flugzeugkabinen nicht vorbei.

1. die Gehaltstabellen werden gestreckt, Neueinsteiger werden auf niedrigerem Niveau eingestellt.

2. Es werden parallel neue Firmen aufgebaut mit einem niedrigerem Gehaltsniveau, die in den regulären Lufthansamaschinen eingesetzt werden.

3. Lohnerhöhungen werden gar nicht vorgenommen oder aber durch Arbeitszeitverlängerung und Urlaubskürzung versteckte Kürzungen vorgenommen

4. Beschäftigungsgarantien werden verweigert

5. Die „Boden-Bereiche“ werden auch ausgedünnt, oder geschlossen und durch neue Firmen mit schlechterer Bezahlung ersetzt.

In dieser Richtung wurden verschiedene Sparprogramme aufgelegt, deren aktuelles über eine Milliarde einsparen soll und zum Wegfall.

Lufthansa verdient trotz verschärftem Konkurrenzkampf gut

Noch einem Gewinn von 1,1 Milliarden Euro 2010 weist die Lufthansa 2011 einen Verlust von 13  Millionen aus (was sie aber nicht hinderte, den Aktionären Dividende zu zahlen). Beide Zahlen sind bilanztechnisch nach unten manipuliert, da LH viele Gesellschaften aufgekauft hat oder Beteiligungen daran besitzt, und das weltweit. So können Gewinne verlagert und Verluste buchungstechnisch erzeugt werden.

Was den Gewinn drückt, sind die enorm gestiegenen Kerosinpreise. Die Lohnsumme ist um 187 Millionen gestiegen,  gegenüber 1,3 Mrd. Euro Steigerung beim Treibstoff und fast 700 Millionen bei Gebühren. Der Umsatz ist um fast 2,3 Milliarden gestiegen.

2011 waren etwa 2000 Menschen mehr in Lohnarbeit als 2010. Der Umsatz pro MitarbeiterIn wurde von 226000 Euro auf 241292 Euro gesteigert. Im Jahre 2002 lag der Umsatz pro MitarbeiterIn noch bei etwa 180000 Euro. Die Zahl der Fluggäste wurde um 8 Millionen erhöht. Auch im Frachtbereich gab es Zuwächse. (Zahlen aus dem Jahresabschluss 2011 und dem 10-Jahresvergleich der Kerndaten)

Das zeigt uns aber auch: Arbeiterkontrolle kann bei solchen multinationalen Gebilden wie der LH nur international geführt werden, genauso wie der Lohnkampf internationalisiert werden muss.

Wem gehört die Lufthansa?

Das ehemalige Staatsunternehmen Lufthansa hat etwa 117000 LohnarbeiterInnen, davon sind etwa 20000 als FlugbegleiterInnen, als Kabinenpersonal eingesetzt. Ende der Neunziger Jahre wurde die LH endgültig privatisiert. Die Angabe Streubesitz trifft so nicht zu, es gibt schon einflussreiche Investoren aus dem angelsächsischen Raum und aus dem deutschen Versicherungs- und Investitionsbereich. Die nichtdeutschen Anteile dürfen aber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für den Luftverkehrsbereich einen bestimmten Anteil nicht überschreiten. Dies siegelt sich wieder in der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat, der auf der Kapitalseite einen Querschnitt des bundesdeutschen Industrie und Finanzkapitals repräsentiert.

Wie ist die Berufsgewerkschaft UFO einzuschätzen?

Der Streik wurde erst nach langem Zögern und Nachgeben und vielen, langwierigen Verhandlungen in Angriff genommen. Der LH Vorstand hatte sich keinen Millimeter bewegt, sondern hat die Zeit genutzt, Fakten im Bereich der Leiharbeit zu schaffen. Doch der Druck der Basis ist in letzter Zeit gewachsen und sehr viele FlugbegleiterInnen sind UFO beigetreten. Viele Flugbegleiter sind seit den Achtziger Jahren aus ötv/verdi ausgetreten und haben 1992 UFO gegründet, die aktuell etwa 10000 Mitglieder hat.

Die LH hat in den letzten Jahren versucht, entlang der berufsständischen Grenzen die Beschäftigtengruppen zu spalten und einzeln in die Knie zu zwingen, zudem entlang nationaler Grenzen zusätzlich. Für diese  Angriffe ist natürlich das Konzept der Berufsgewerkschaften wie UFO und Cockpit anfällig, zumal dort auch arbeiteraristokratische  Ideologien gepflegt werden.

Die Berufsgewerkschaften, die hauptsächlich im Verkehrsbereich organisieren, sind Folgen der Ko-Managementpolitik der DGB-Führung. Doch trotz organisatorischer Trennung sind sie im wesentlichen reformistisch und sozialpartnerschaftlich in der Führung, von der Basis ist der Erwartungsdruck aber äußerst stark.

Wie auch immer die UFO Führung (immerhin ehrenamtlich tätig) einzuschätzen ist, die Basis muss von ihren Lebensbedingungen als Teil eines neuen Proletariats in einem Bereich der Mobilitätsindustrie angesehen werden, der immer mehr Bedeutung für den globalisierten Kapitalismus bekommen hat. Nicht zufällig finden die wichtigsten Auseinandersetzungen der letzten Jahre im Verkehrsbereich statt, wo Personen- und Gütertransport wichtige Lebensadern des kapitalistischen Weltsystems geworden sind. Diese Bereiche unterliegen wie alle anderen dem Gesetz der sinkenden Profitrate, das Kapital versucht dem entgegenzuwirken mittels Senkung der Lohnkosten. Und diese Vorhaben stoßen auf verstärkten Widerstand. Für UFO war das der erste Tarifkonflikt, der erste Streik, im Bewusstsein der Mitglieder ein Erfolg von Solidarität und Kampfeswillen. (Vorbehaltlich der endgültigen Ergebnisse).

Über den Tellerrand hinaus

2010 haben wir anlässlich des Streiks der Piloten und ihrer Berufsgewerkschaft Cockpit geschrieben:

„Natürlich geht es beim Streik nicht nur um Löhne und Arbeitszeiten. Der Streik ist selbst Ausdruck eines größeren Problems; nämlich der Frage, wie das Transportwesen im Sinne der Beschäftigten, der Kunden, im Sinne von Rationalität und Umweltschutz organisiert werden muss.

Der Luftverkehr ist einer der größten Klima-Killer - schon deshalb ist diese Frage höchst bedeutend. Der widersinnige Konkurrenzkampf hunderter Fluggesellschaften, die damit verbundene unökonomische Struktur von Fluglinien, Flugplatznutzung, Buchungssystemen, Logistik usw. usf. zeigen augenfällig, dass der privatwirtschaftlich organisierte Luftverkehr ungeeignet dafür ist, dieses Verkehrssegment sinnvoll zu organisieren.

Deshalb müssen alle großen Verkehrsträger unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht werden! Für den Flugverkehr, also das Reisen mit CO2-Bombern, würde das z.B. zuerst bedeuten, dass Inlandsreisen statt mit dem Flugzeug mit der Bahn erfolgen und das geschäftliche Hin-und-her-Gejette von Managern und Bossen unterbunden wird. Die Beschäftigten, die NutzerInnen und die Arbeiterbewegung müssen eine Verkehrsplanung erarbeiten, welche die jeweils sinnvollste Verkehrsart und deren Verknüpfung fördert, unnützen Verkehr minimiert und alle Verkehrsmittel streng ökologisch modifiziert.“

(„Schwere Turbulenzen“, Hannes Hohn, Infomail 470, 23. Februar 2010)

Wir können heute hinzufügen, dass sich demokratische Bewegungen wie die gegen S21 und die gegen den Ausbau der Flughäfen in Ffm und München massiv bemerkbar machen.

Die Planung der Zukunft nicht mehr dem Kapital und ihm hörigen PolitikerInnen zu überlassen, das ist die Triebkraft solcher Bewegungen. Die Erkenntnis wird reifen, dass dies nicht ohne eine grundlegende Umwälzung der politischen Verhältnisse, ohne eine Revolution zu erreichen ist.

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