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Spanien

Vor einem heißen Herbst

Andy Yorke, Infomail 641, 12. September 2012

Spanien ist das neue Griechenland, das nächste Land, das der Spekulation mit Staatsanleihen und den Konditionen des Europäischen „Rettungspakts“ zum Opfer fallen soll. Die Banken sind mit „toxischen Papieren“ im Wert von rund 184 Milliarden Euro aus den Immobiliengeschäften belastet. Seit dem zweiten Absturz in die Rezession im letzten Herbst musste Premierminister Mariano Rajoy bei den europäischen Finanzministern um 100 Milliarden Euro bitten.

Kürzungsprogramm

Der Preis dafür beinhaltet - wie immer – ein Kürzungsprogramm aus Mehrwertsteuererhöhungen, Beschneidung des Arbeitslosengeldes, Kürzung des Lohns im Öffentlichen Dienst und Angriffen auf die Gewerkschaften. So wie es aussieht wird es in Zukunft noch schlimmer werden. Spaniens Regionalregierungen sind auch Bankrott. Katalonien, Murcia und Valencia mussten schon um Zuschüsse in der Höhe von 8.8 Milliarden Euro betteln.

Eine Reihe von Sparpaketen hat die Wirtschaft noch tiefer in den Ruin getrieben  und haben dazu beigetragen, dass das Land noch tiefer in die Rezession fällt.

Spanien liegt jetzt mit 27 Prozent Arbeitslosigkeit an der Spitze der Eurozone.  Mit 53 Prozent ist die Jugendarbeitslosigkeit noch höher als in Griechenland. Nach vier Jahren einer nahezu konstanten Rezession, lebt jeder fünfte (21,8%) der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Nach dem letzten Bericht der Caritas drohen noch weitere 11 Millionen unter dieser Grenze zu fallen. Über eine halbe Millionen haben keinerlei Einkommen, keine Löhne, Renten oder Sozialleistungen – nichts. Zehntausende wurden aus ihren Häusern vertrieben.

Aber die spanischen ArbeiterInnen und Jugendliche haben mit massiven Besetzungen von Plätzen und Institutionen reagiert, die von einer Schließung bedroht sind. Mit militanten Aktionen gegen die am schwersten betroffenen Bereiche sorgten sie für einen heißen Sommer. Die BergarbeiterInnen und LandarbeiterInnen standen an der Spitze dieser Kämpfe.

Kampf der Bergarbeiter

Die Minister haben die Schließung von den Zechen beschlossen. Die Bergbausubventionen sollen sofort um 60 Prozent gekürzt werden. Das ist zwar nur ein Bruchteil dessen, was zu „Bankenrettung“ verbraten wurde – aber diese Pläne bedrohen 40 Minen allein in Asturien, das Zentrum des spanischen Bergbaus. Der Rausschmiss von 8.000 Bergarbeitern hätte verheerend Folgen für die Industrie und die Beschäftigung in der gesamten Region.

In Mai haben das Bündnis der Hauptgewerkschaften, der CCOO und UGT zu Streiks aufgerufen was sich zu einem allgemeinen Streik ab den 1. Juni entwickelte.

Für Wochen haben die Bergarbeiter die Stollen besetzt und blockierten Straßen, Autobahnen und Zuggleise. Um ihre Aktionen vor den Angriffen der Polizei zu schützen, setzten sie brennende Barrikaden und selbstgebaute Raketenwerfer ein. Am 18. Juni wurde zum Generalstreik in den Bergbaugebieten von Asturias, Leon und Palencia aufgerufen. Die Kumpel wurden von den lokalen ArbeiterInnen unterstützt die die Umgebung lahm legten. Die Sympathie der Öffentlichkeit galt den Bergarbeitern - nicht der Regierung.

Der „schwarze Marsch“ der Bergarbeiter endete am 10. Juli mit einer großen Solidaritätsdemonstration. Sie wurden von Polizei mit Gummigeschossen angegriffen. Die Bergarbeiter wurden letztendlich von ihren eigenen Gewerkschaftsbossen verraten, die den wochenlang Streik ohne Ergebnis, ohne Sieg aufgelöst haben. Aber die Erfahrungen der ArbeiterInnenbasis mit Eigeninitiative und  militanten Aktionen bleiben.

Andalusien

Im August übernahmen die LandarbeiterInnen in Andalusien, der südlichsten Region Spaniens, die Initiative und besetzten das Anwesen des Herzogs von Segorbe. Angeführt vom linken Bürgermeister der Stadt Marinelda, Sanchez Gordillo, sind sie dazu übergegangen, unbenutztes Land vom Militär oder der Regionalregierung zu besetzen und die Supermärkte zu plündern, um die Hungrigen zu versorgen.

Diego Canamero, der Vorsitzende der Andalusischen Arbeiterunion, erklärte, dass die europäischen Subventionen an Großgrundbesitzer bezahlt wurden, auch wenn sie nichts ernteten, denn die Bezahlung richtet sich nach der Landgröße und nicht nach der Produktivität. „Es besteht kein Grund für die ohnedies schon reichen Landbesitzer, irgend etwas anzubauen“, während bis zu einem Drittel der ArbeiterInnen einer der ärmsten Regionen Spaniens arbeitslos sind. Die ArbeiterInnen wollen dieses Land als kollektives Agrar-Anbaugebiet benutzen.

Die parlamentarische Linke

Trotz massiver Proteste bleiben Spaniens Sozialisten, die PSOE, weitere wenig populär. Die Meinungsumfragen zeigen, dass sie weiter hinter Rajoy´s konservativer Volkspartei PPP stehen (37 zu 23 Prozent). Das ist auch kein Wunder angesichts der Tatsache, dass die PSOE zwischen Mai 2010 und dem Wahldebakel in Dezember 2011 eine ganze Reihe Kürzungen durchgesetzt hatte. Zur gleichen Zeit ist die „Vereinigte Linke“ – mit der ehemaligen KP im Mittelpunkt – laut Umfragen von 8,9% in Februar auf 13,2% diesen Sommer gestiegen. Aber das soll nicht über darüber hinwegtäuschen, dass auch die „Vereinigte Linke“ alles andere als eine konsequente Alternative zur PSOE darstellt. In Andalusien ist sie selbst Teil der Regierungskoalition, die weiter die Interessen der Kapitalisten und Großgrundbesitzer verteidigt.

Kein Wunder also, dass sich unter den gegenwärtigen katastrophalen Bedingungen die nationalistische Rechte als unnachgiebige Opposition gegen den Sparkurs und diese eisernen Diktate der EU zu profilieren versucht und an Popularität zulegt.

Aber Wahlen, so kritisch sie auch sein mögen in solchen entscheidenden Momenten, wie in Griechenland im Mai und Juni, sind letztendlich eine Reflexion  des Kräfteverhältnisses zwischen  den Klassen. Und dies wird auf dem Schlachtfeld des Klassenkampfes in allen ihren Formen etabliert – Streiks, Besetzungen, Märsche und Demonstrationen einschließlich der Fähigkeit und Bereitschaft gegen den Staat und seine paramilitärischen Schlägertruppen der Guardia Civil, ein lebendiges Erbe der Franco-Diktator, zu kämpfen.

Heißer Herbst

Wenn sich diese Kämpfe im Herbst verstärken werden – und dazu sind zwei landesweite Aktionstage am 15. und 25. September nur der Auftakt -, könnte sich Rajoy mit dem Rücken zur Wand befinden. Doch das erfordert landesweite Streiks gegen alle Kürzungen, die in einem Generalstreik zum Sturz von Rajoy, gegen alle Sparmaßnahmen der Bundes- und Regionalregierungen münden. Um dies zu erreichen gegen die Blockade der Gewerkschaftsbürokraten, der reformistischen Linken, sowie den Widerstand der Rechten durchzusetzen, bedarf es des Aufbaus von Aktionskomitees die die ArbeiterInnen, die Jugend und die Armen mobilisieren, um durch Besetzung die Entlassungen zu stoppen, die Betriebe zu enteignen und unter Arbeiterkontrolle weiterzuführen.

Der einzige Weg aus dieser schrecklichen Krise und der vernichtenden Schuldenlast in Griechenland, Spanien und anderen Ländern, ist der Kampf für eine Alternative zum Kapitalismus, der solch ein Elend produziert. Und das heißt Kampf für den Sozialismus - nicht weniger.

Um diese Strategie zu entwickeln und zu implementieren, bedarf es einer neue Partei bestehend aus den kämpferischsten Elementen, die den Widerstand zu einer Revolution führen kann, die für die Schaffung eines Regierung der ArbeiterInnen und Kleinbauern und eine demokratische Planwirtschaft eintritt, die die Bedürfnisse der 99% und nicht die Gier der 1% zu erfüllen hat.

Eurozonen Bürokraten und Zentralbanker sind versessen darauf die Krise zu lösen auf Kosten der Lohnabhängigen, ihrer Einkommen, Arbeitsplätze und sozialer Errungenschaften. Deshalb müssen auch wir unsere Kräfte in Europa vereinigen.

Es ist höchste Zeit, diesen Herbst europaweit Solidarität und Koordinierung der Kämpfe aufzubauen, beginnend mit Griechenland und Spanien.

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