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Der 15. Oktober - ein internationales Signal gegen die Macht der Banken

Wir sind die 99%!

Tobi Hansen, Infomail 584, 17. Oktober 2011

Ausgehend von den „Empörten“, den Indignados aus Spanien und der „Occupy Wall Street“ Bewegung in den USA folgten am 15. Oktober Hunderttausende dem internationalen Protesttag gegen die Krise. Laut Attac fanden in 82 Staaten und über 900 Städten Proteste und Kundgebungen gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte statt, wahrscheinlich waren es noch weit mehr.

Die weltweite Massenmobilisierung kommt zum richtigen Zeitpunkt. In den letzten Monaten rollte die zweite Welle der Wirtschaftskrise an. Die drohende Staatspleite der USA, die Schuldenkrisen in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal und die Allmacht der Ratingagenturen bestimmten das politische Geschehen. Eine neue globale Rezession steht bevor.

Wie 2009 wurden wir erneut Zeuge, wie diese Krise „gelöst“ werden soll, welche gesellschaftlichen Gruppen davon profitieren sollen. Die Lösung beinhaltet stets neue Milliarden und Billionen für die Finanzmärkte, während gleichzeitig die Sparpakete für die Mehrheit beschlossen werden. In Europa wird Griechenland seit Frühjahr 2010 von EZB, IWF und der EU quasi regiert, hier werden direkt die Interessen der „Gläubiger“ durchgesetzt.

Ähnliche Sparpakete wie die GriechInnen erwarten nun auch die US AmerikanerInnen – ihr Widerstand zeigt sich jetzt in der „Occupy Wall Street“ (OWS) Bewegung. In der Nacht von 15. auf den 16.10 waren 50.000 DemonstrantInnen in New York am Times Square, in den letzten Wochen besetzten sie den Zucotti-Park in Manhattan und benannten diesen in „Freiheitspark“ um.

Viele der AktivistInnen haben sich die Bewegung in Tunesien und Ägypten zum Vorbild genommen, durch die Besetzung der öffentlichen Plätze wollen sie zeigen: Das ist unsere Stadt, diese Regierung handelt nicht in unserem Interesse – wir sind die 99%!

Bewegung in Deutschland

In Deutschland waren ca. 40.000 Demonstrierende in über 50 Städten auf den Straßen. Die größten Proteste fanden in Berlin und Frankfurt/Main statt, in beiden Städten demonstrierten rund 10 000, in Frankfurt wurde die Europäische Zentralbank blockiert, in Berlin konnten die DemonstrantInnen gegen die überraschten Bullen bis vor den Reichstag durchbrechen.

Die Mobilisierung lief größtenteils via Internet und Facebook, hier sammelten sich die UnterstützerInnen für den 15. Oktober - gleichzeitig bekam diese Bewegung viel mediale Aufmerksamkeit.

In der Woche vor dem 15. Oktober wurden AktivistInnen von Occupy bei Maybrit Illner eingeladen, ebenso berichteten fast alle größeren Tageszeitungen über den Protest. Zum einen wird derzeit klar, dass die Banken erneut „gerettet“, also mit „frischem“ Kapital bedient werden sollen. Gleichzeitig wächst bei vielen eine berechtigte Wut auf die sog. Eliten, denen nichts anderes einfällt, als das Geld durch Sparpakete und neue Schulden von der Mehrheit der Bevölkerung zu holen. Dies ist derzeit der Offenbarungseid des Systems, es gibt keine einfache volkswirtschaftliche „Lösung“ dieser grundlegenden Krise des Kapitalismus.

Von der Wut zum Widerstand

Die DemonstrantInnen sehen diese grundlegenden Missstände und auch, für wen kein Geld da ist. Weder für die Sozialsysteme, den Mindestlohn oder den Klimaschutz haben die Regierungen dieser Welt Geld, aber wenn eine Bank ihre Systemrelevanz beweist, dann werden die Milliarden aus dem Ärmel geschüttelt.

Es wird wichtig werden diese Bewegung weiterzuführen. Der 15. Oktober war ein internationales Signal – wahrscheinlich das erste seit dem Ausbruch der Krise 2008, bei dem auf allen Kontinenten Proteste gegen die Banken & Kapital sich manifestierten. Wir müssen die AktivistInnen dieser Aktionen zusammenführen, nicht nur über Facebook – sondern auch in der sozialen und politischen Realität der Mehrheit. Dieses Potential hat sich bislang wenig in dem politischen, linken Milieu beteiligt – die Protestierenden sind in ihrer Mehrheit nicht politisch festgelegt, sondern zunächst mal empört!

Sie sehen aber sehr deutlich, für wen hier diese Demokratie funktioniert und für wen nicht – dies vergleichen sie mit ihrem demokratischen Verständnis und dieser Widerspruch lässt sie aktiv werden. Es ist unsere Aufgabe, diese Bewegung aufzubauen, in Aktionskomitees und Bündnissen zu organisieren, gemeinsame Forderungen und eine gemeinsame Kampfstrategie auszuarbeiten. Dann kann der Protest zu einer organisierten, globalen und anhaltenden Massenbewegung werden.

Bei aller Wichtigkeit dieser Proteste dürfen wir nicht die Augen vor den Schwächen und den grundlegenden Problemen dieser Bewegung und des Protests gegen die Krise, verschließen. Weit verbreitet ist die Illusion an einen pazifistischen, demokratischen und individuellen Aufstand der „Bürger“, welche in der Demokratie etwas bewegen könnten. Dieser Bereich steht attac und anderen kleinbürgerlichen NGO´s nahe, die in der aktuellen Krise die Möglichkeit sehen, ihren Einfluss zu stärken, über ihre Rolle am „Katzentisch“ der Macht hinaus zu kommen.

Wiederum andere sind geprägt von der „anonymus“ Szene, welche stark anarchistisch, an den Film V wie Vendetta, angelehnte Strategien verfolgen. So ist die Seite www.occupydeutschland.de direkt mit einer anonymus Seite verbunden, welche den „3 Schritte Plan“ zur Weltrevolution aufstellt, dies orientiert sich an einem pazifistisch-anarchistischen Massenaufstand, welcher letztlich Kapital, Staat & Militär überrumpeln und implodieren lassen soll.

Diese Strategien, mit denen wir uns der Zukunft ausführlicher kritisch auseinandersetzen werden, haben mehrere Schwächen. Ein zentrale Schwäche besteht darin, dass sie die Frage des Kampfes gegen die Krise nicht als eine Klassenfrage begreifen, nicht erkennen, dass es entscheidend sein wird, das die Masse der Lohnabhängigen zum entscheidenden Subjekt des Kampfes wird. Besetzungen, Demonstrationen, vielfältige Aktionen sind zweifellos wichtig, um Millionen zu politisieren und zu mobilisieren – aber wir müssen den Kampf auch dorthin tragen, wo der Reichtum dieser Gesellschaft geschaffen wird, wo diese Gesellschaft am Laufen gehalten wird: in die Betriebe, in den Transportsektor, den Öffentlichen Dienst. Wir müssen die Straßenaktionen damit verbinden, politische Massenstreik gegen die Krise zu popularisieren, vorzubereiten, durchzuführen. Und es geht letztlich darum, diesen Kampf zu einem bewussten Kampf um die politische Macht zu machen, um die Herrschaft der Kapitalistenklasse zu brechen, ihm eine revolutionären Perspektive zu geben.

Die Krisenbewegung in Deutschland

Zu den Schwächen gehört aber auch, dass in Deutschland die „Anti Krisenbündnisse“ wenig zum 15. Oktober beigetragen haben. Vielerorts waren diese Bündnisse wieder eingestellt worden oder befinden sich in einem komatösen Zustand. Dies hat auch spezielle Gründe: Die Gewerkschaftsführung fährt einen fröhlichen Schlingerkurs gegenüber Schwarz/Gelb. Die Linkspartei biedert sich SPD/Grün an und die „radikale Linke“ oszilliert zwischen Ein-Punkt-Kampagnen, Ratlosigkeit und Klagen, dass wir nicht so viele sind.

Natürlich wollen alle irgendwie den Mindestlohn und ein Ende von Leiharbeit, alle sind auch gegen Sparpakete und die Allmacht der Banken – nur Aktionen, geschweige denn Massenaktionen gegen die Krise haben diese Akteure seit 2009 nicht mehr hinbekommen.

Als am 15. Oktober mehrere Zehntausend auf der Straße waren, wurden sie von „Solidarität“ grade zu überschwemmt. Sogar die FDP fordert jetzt einen Verzicht der Banken und Gläubiger. SPD, Grüne, DGB und DIE LINKE erklärten eilig ihre Solidarität und ihr Verständnis für die Bewegung, die radikale Linke war mit auf der Straße, hat aber wenig Einfluss. Dies zeigt nur die Schwäche der „Linken“.

Wenn die Krisenbewegung jetzt neuen Schwung erhält, wird es entscheidend sein diesen Protest zusammen mit den sozialen und betrieblichen Kämpfen zu verbinden und so eine breite Massenaktivität zu erreichen. Die Platzbesetzungen von Tunis und Kairo blieben nicht beim Besetzen stehen, nein – sie legten das gesamte Land lahm und verteidigten sich gegen den Repressionsapparat. Daraus kann sich eine Bewegung der Massenstreiks entwickeln – eine Bewegung, die solcherart die Machtfrage stellt.

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