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Panzerdeal mit Saudi-Arabien

Überrollte Demokratie

Hannes Hohn, Infomail 567, 14. Juli 2011

Nachdem täglich neue Hiobsmeldungen von den Finanzmärkten die gute Laune der Merkel-Regierung verderben, kommt nun auch noch innenpolitischer Ärger hinzu. In den Medien und von der Opposition gibt es massive Kritik am geplanten Verkauf von 200 deutschen Leopard II-Panzern an Saudi-Arabien. Noch ist der Deal nicht perfekt, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Regierung in diesem Fall noch eine Kehrtwendung macht und ihre Genehmigung zurückzieht oder modifiziert.

So scheiterte auch der Versuch der Opposition im Bundestag, das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien noch zu verhindern. Die Einzel-Anträge von SPD, der LINKEN und den Grünen wurden von der Mehrheit aus CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Panzer gegen Proteste

Hauptkritikpunkt der Opposition ist der Vorwurf, dass die Waffen von Saudi-Arabien dazu benutzt werden könnten, um Aufstände im eigenen Land oder in der arabischen Region niederzuschlagen. Diese Befürchtung ist mehr als gerechtfertigt, ging das saudische Regime doch zuletzt brutal gegen Oppositionelle vor. V.a. aber unterstützte es militärisch das Regime von Bahrain, als dieses mit brutaler Gewalt gegen DemonstrantInnen vorging. Auch Mohammed al-Kahtani, Chef der Menschenrechtsgruppe ACPRA bestätigt dies: "Am Ende werden die Panzer doch nur dafür eingesetzt, die saudi-arabische Bevölkerung zu bedrohen und zu unterdrücken".

Saudi-Arabien ist zudem eine erzreaktionäre Diktatur, die Menschenrechte, die Rechte von Frauen und ImmigrantInnen mit Füßen tritt.

Die Regierung lässt sich davon jedoch nicht beirren. Verteidigungsminister De Maizière sagte im Hinblick auf die Protestbewegungen in der arabischen Welt, Jemen sei "in großer Gefahr (...), ein fallender Staat zu werden - und der Terrororganisation Al-Kaida noch mehr Raum zu geben". Daher solle das Nachbarland Saudi-Arabien „seine stabilisierende und mäßigende Rolle in der Region weiter spielen (...) Menschenrechtsüberlegungen müssen eine Rolle spielen, doch überwiegen die internationalen Sicherheitsinteressen."

Klare Worte darüber, welche strategischen Ziele die Außenpolitik des deutschen Imperialismus verfolgt. So reaktionär und brutal kann ein Staat gar nicht sein, dass er auf Militärhilfe durch Deutschland verzichten müsste.

Nachdem eine ganze Reihe von arabischen Ländern, mit denen Deutschland trotz ihrer undemokratischen und repressiven Regime „kooperierte“, mit dem Sturz bedroht sind, fühlt man sich nun Ländern wie Saudi-Arabien oder Israel besonders verbunden, denn sie sind die vermeintlichen Felsen in der revolutionären Brandung des Nahen Ostens.

Diese Aussagen und noch mehr der Panzerdeal oder andere Waffengeschäfte der letzten Jahre zeigen zugleich auch, welch geringes politisches Gewicht die diversen Erklärungen und „Verpflichtungen“ zum Rüstungsexport haben. So heißt es im Rüstungsexportbericht für 2009: „Die Beachtung der Menschenrechte ist für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung, unabhängig davon, um welches mögliche Empfängerland es sich handelt". In den „Politischen Grundlagen“ dieses Berichts steht, der Waffenexport in Länder dürfe nicht genehmigt werden, wenn sie "in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht". Nach diesen schönen moralischen Grundsätzen hätte der Export der 200 Panzer gar nicht erst erwogen werden dürfen!

Kritik

Die Kritik der Opposition richtet sich auch gegen die Geheimhaltung seitens der Regierung, die bisher keine Auskünfte geben wollte und das Waffengeschäft noch nicht einmal offiziell bestätigen wollte. Die Regierung wiederum meint dagegen, dass die Entscheidung über solche Geschäfte dem Bundessicherheitsrat obliegen, der darüber schon immer geheim entschieden hätte. Zudem wären auch schon 2009, also von der Großen Koalition, Waffen im Wert von 168 Mill. Euro nach Saudi-Arabien geliefert worden. Auch schon unter Rot/Grün erhielt das Land Rüstungsgüter für 260 Millionen. Nun geht es jedoch um ein Auftragsvolumen von etwa 1,7 Milliarden Euro! Dass dieses Geschäft keine Ausnahme ist, sondern immer öfter zur  Regel wird, belegt auch eine Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, wonach Deutschland in den vergangenen Jahren mit 11% Weltmarktanteil zum drittgrößten Waffenexporteur aufgestiegen ist.

Die SPD greift, da sie momentan auf den Oppositionsbänken sitzt, die Regierung scharf an. Doch genau wie die Grünen vergisst sie dabei, dass sie selbst noch vor wenigen Monaten oder  Jahren genauso fleißig dafür gesorgt hat, dass der Slogan „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt“ weiter Gültigkeit behält.

Beide Parteien - wie auch die LINKE - sehen als Mittel des Kampfes gegen das schwarz/gelbe Panzergeschäft lediglich parlamentarische oder juristische Mittel. Mit parlamentarischen Anfragen, Untersuchungsausschüssen, der angedrohten Klage Ströbeles u.a. gefährlichen Kampfmitteln wurden Regierung und Kapital ja bekanntlich schon oft in die Schranken verwiesen. Einen Aufruf an die Bevölkerung oder gar eine Aufforderung an die Gewerkschaften, gegen den Waffendeal u.a. Maßnahmen der deutschen imperialistischen Außenpolitik wie z.B. die Auslandseinsätze zu mobilisieren, erwartet man von alle diesen Oppositionsparteien umsonst.

Geradezu bizarr wird es bei Grünen-Chef Trittin, wenn er befürchtet, dass Saudi-Arabien die Panzer zur Bedrohung Israels einsetzen könnte. Danach sieht es nun aber ganz und gar nicht aus! Bisher und auch heute noch bewähren sich beide Staaten als engste Verbündete und treueste Kettenhunde des Imperialismus in der Region. Warum sollte diese „Sicherheitspartnerschaft“ plötzlich infrage gestellt werden?!

Die LINKE

Im Antrag der Linkspartei heißt es, der Panzerverkauf verletze die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung und den Standpunkt der EU. Natürlich kann und soll eine linke Partei auf die Widersprüche und Ungereimtheiten bürgerlicher Politik aufmerksam machen. Doch sie darf nicht so tun, als hätten diese Pamphlete mehr politisches Gewicht, als das Papier wiegt, auf denen sie geschrieben sind. Leider tut die LINKE wieder einmal gerade das. Statt dessen sucht man vergeblich nach klaren Statements der LINKEN gegen den imperialistischen Charakter der deutschen Außenpolitik und das damit verbundene  scheinheilige humanitäre Getue.

Dass es der LINKEN natürlich auch nicht darum geht, die revolutionäre Welle im arabischen Raum zu unterstützen und weiterzutreiben, geht aus Aussagen von LINKEN-VertreterInnen hervor, die befürchten, der Panzerexport würde „die Sicherheit und Stabilität der Region gefährden“. Doch erhebt nicht auch Innenminister Friedrich (CSU) die Forderung nach „Sicherheit und Stabilität“, wenn er meint: "In einer Situation, in der sich auf der arabischen Halbinsel staatliche Strukturen, wie zum Beispiel im Jemen, auflösen“ müsse die Sicherheit (in Form der Unterstützung des Sicherheitsfaktors Saudi-Arabien) gewährleistet werden?! Unterschiedet er sich denn in mehr, denn in der Wahl der Mittel, um den Nahen Osten gegen die revolutionäre Welle zu befrieden und Ruhig zu halten. Hat nicht auch die Linkspartei erst vor kurzem jede Kritik an der Apartheidpolitik Israels, jede internationale Solidarität mit den PalästinenserInnen und selbst das Eintreten für einen einheitlichen, säkularen, demokratischen Staat Palästina, in dem AraberInnen, JüdInnen und alle anderen gleichberechtigt leben können, zum Tabuzone erklärt?

Dabei geht es gerade darum: die „Sicherheit und Stabilität“, also die herrschenden Regime, aber auch die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung in diesen Ländern zu erschüttern und zu zertrümmern.

So tritt die LINKE wieder einmal für „Alternativen“ zum Kapitalismus ein - wo diese jedoch ganz praktisch werden, fürchtet man um „Sicherheit und Stabilität“. Dieses Verhalten ist umso aufschlussreicher, als die Führung der LINKEN derzeit gerade den Programm-Entwurf der Partei präsentiert.

Fazit

Entgegen den Vorstellungen eines „anderen Europa“, einer „EU der Bürger“, einem „sozialen Europa“ u.a. schönen Etiketten haben wir immer darauf hingewiesen, dass die EU ein imperialistisches Projekt unter der Führung von Deutschland und Frankreich ist. Und natürlich dient auch deren Außenpolitik den globalen politischen und wirtschaftlichen Hegemoniebestrebungen der europäischen Kapitale.

Welche Interessen „die Bürger“ haben, interessiert Berlin, Paris und Brüssel nur insofern, als  bestimmte „Bürger“ Produktionsmittel besitzen und Profit machen. Allerdings geraten das Projekt EU und seine EURO-Währung zunehmend in Schwierigkeiten: die Krise, die Eruptionen der Staatsfinanzen, die wachsende globale Konkurrenz wie der zunehmende Widerstand gegen die Kürzungspläne der Regierungen. All das erfordert, dass die Regierungen sich für diese Konflikte rüsten - auch militärisch.

Der aktuelle Panzerdeal mit Saudi-Arabien reiht sich darin ein. Er zeigt, dass Deutschlands „Sympathien“ mit den Aufständischen in den arabischen Ländern reine Heuchelei sind. Allenfalls dienen sie dazu, sich bei den momentan durch die Proteste hochgespülten bürgerlichen „Übergangsregimen“ lieb Kind zu machen, um an politischem und ökonomischem Einfluss in der Region zu gewinnen und möglichst noch imperialistische Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen.

Die Umstände, wie Waffenverkäufe von der Regierung behandelt werden - als Geheimsache – zeigen zugleich auch, wie bürgerlich-parlamentarische Demokratie funktioniert. Alles, was Profite und Machtausübung direkt betrifft, ist weder wähl- noch abwählbar. Die parlamentarische Kontrolle ist eine leere Hülle. Die „Volksvertretung“ kann entweder die woanders getroffenen Entscheidungen abnicken, vor den Fakten kapitulieren oder sich im Nachhinein echauffieren. Rüstung, Militär, Profite - all das sind letztlich Tabus für das Parlament. Die Parlamentarier haben im Plenarsaal das Sagen - woanders bestimmt das Kapital.

Dabei ist eine Waffenlieferung streng genommen keine Sache, die der Geheimhaltung unterliegen müsste. Auch die Lieferung der 200 Leopard II lässt sich natürlich nicht verheimlichen, noch wäre unbekannt, dass es diesen Panzer gäbe. Nein, bei der Geheimhaltung geht es dezidiert darum, zu verhindern, dass a) irgendeine Opposition in die Quere kommt, b) dass die Konkurrenz zu früh etwas merkt, c) der reaktionäre Charakter der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands möglichst nicht offenbar wird und d) ganz und gar Proteste und Widerstand den Deal womöglich stoppen.

Angesichts der offenen Solidarität des deutschen Kapitals mit den arabischen reaktionären sollten wir deren GegnerInnen, den Aufständischen in der arabischen Welt, unsere Solidarität und Unterstützung zeigen!

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