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Landesregierung Baden-Württemberg und S 21

Stresstest für Grün-Rot

Renate Röckenwies, Infomail 554, Mai 2011

Der Koalitionsvertrag steht und die Minister- und Staatssekretärsposten sind verteilt. Einige dringende Modernisierungen der Politik im Ländle sind beschlossen. Es sollen mehr Frauen ins Kabinett und mehr Ganztagsschulen eingerichtet werden. Beides kein Kunststück, denn das Ausgangsniveau ist bescheiden. Es ist auch schon klar, das vieles bleibt, wie es war: Es wird gespart bei der Bildung, d.h. bei LehrerInnen und im Öffentlichen Dienst generell.

Verteilung der Posten

Von der bürgerlichen Presse wurde mit Erstaunen festgestellt, dass die Grünen alle „wichtigen“ Ministerien wie Innen, Justiz, Wirtschaft und Finanzen der SPD überlassen haben und sich außer mit Verkehr nur mit ländlichem Raum u.ä., weniger wichtigen Ressorts begnügt haben. Die Erklärung ist einfach. Die Sozialdemokratie ist geübt darin, sich mit den Stimmen der Arbeiterklasse und der unteren Schichten wählen zu lassen, um dann dem Kapital zu dienen. Zu dieser erprobten Methode, die Geschäfte des bürgerlichen Staats zu führen und die Interessen der herrschenden Klasse zu vertreten, haben die Grünen keine Alternative entwickeln können - und wollen.

In Jahrzehnten des Verrats hat die SPD dazu jede Menge Ideologie von Sozialpartnerschaft, Standort- und Industriepolitik entwickelt. Die Grünen haben gerade einmal ihr bisschen „Green New Deal“. Von den Kapitalisten der Auto-Industrie wird das nur belächelt. Ein bisschen Spritsparen ist o.k., aber acht Zylinder sollten es trotzdem sein. Entsprechend ließ Kretschmann ein paar autokritische Töne fallen, die Schmid-SPD spielt Auto-Partei. Vermutlich hofft sie darauf, Spenden in ähnlicher Größenordnung zu erhalten, wie bisher die CDU.

Entscheidendes Konfliktfeld

Ein entscheidendes Konfliktfeld ist S21. Ohne diesen Konflikt hätte es keine solche massive Mobilisierung zur Wahl gegeben, eine Mobilisierung, in der letztlich die Gegenbewegung mehr auf die Beine gebracht hat als die alten Regierungsparteien. Mit dem Grünen Winfried Herrmann kommt jetzt ein Verkehrsminister, der erstens deutlich kritischer gegen das Projekt ist als seine grünen Konkurrenten Wölfle, Palmer oder Ministerpräsident Kretschmann. Herrmann ist auch einer, der im Bundestag immer gegen Kriegseinsätze gestimmt hat. Seine Wahl soll vor allem die Bewegung beruhigen.

Der Koalitionsvertrag sieht eine Volksabstimmung zu S21 vor. Konkretes Thema ist aber die Landesbeteiligung an diesem Projekt. Diese Abstimmung würde aber im ganzen Land, nicht nur in der Region Stuttgart stattfinden, wodurch das Zentrum des Protestes gegen S21 in Stuttgart selbst überstimmt werden könnte. Zweitens ist das gesetzlich festgelegte Quorum so hoch, dass mehr WählerInnen S21 ablehnen müssten, als für die Parteien der neuen Regierung gestimmt haben. Das ist zumindest fraglich, da mit der Schlichtung die Bewegung und die Stimmung gegen S 21 „beruhigt“, sprich betrogen wurde. Die Volksabstimmung ist also nichts anderes, als die weniger direkt betroffenen, inaktiveren, rückständigeren Teile der Bevölkerung zu bevorteilen, um – „demokratisch legitimiert“ - S 21 doch noch durchzubringen.

So könnten sich die Sozialdemokraten mit ihrer Strategie durchsetzen, S21 nachträglich zu legitimieren. Andererseits ist festgelegt, dass das Land keine Mehrkosten übernimmt, diese bleiben zukünftig bei der Bahn hängen. So kommt der (computersimulierte) „Stresstest“, den Geissler in der „Schlichtung“ im letzten Herbst verkündet hatte, erneut zu Ehren. Falls er zeigt, dass mehr Gleise nötig sind, um die Zugkapazität des alten Kopfbahnhofs zu erreichen, kann es schon jetzt deutlich teurer werden.

Nach seinen Worten setzt auch Herrmann darauf. Er verlangt auch die völlige Offenlegung aller Verträge. Diese Forderung können wir sicher unterstützen. Vor zu großen Hoffnungen auf den Stresstest warnen wir jedoch: Es geht bei S21 nicht um Vernunft, Verkehr und Fahrplan, es geht um Aufträge, Bodenspekulation und Profit. Entscheidend ist der Fortgang der Bewegung!

Mobilisierung notwendig

Dafür ist es notwendig, die Mobilisierungsstrukturen am Leben zu halten bzw. neue zu schaffen. Die Basis muss die Bewegung jederzeit kontrollieren! Dazu müssen die Führungsstrukturen / VertreterInnen demokratisch gewählt und jederzeit rechenschaftspflichtig  und abwählbar sein. Eine ausreichende Schlagkraft wird die Bewegung aber nur haben, wenn sie auch die Arbeiterklasse, allen voran von den Gewerkschaften voll unterstützt wird. Bisher haben diese meist eine inaktive, „neutrale“ oder sogar zustimmende Position zu S21 eingenommen. Von den Führungen der Gewerkschaften muss gefordert werden, dass sie - notfalls auch gegen das Votum des Volksentscheids - ihre Mitglieder mobilisieren, falls S21 weitergebaut werden sollte.

Auch um mehr Menschen gegen S21 zu mobilisieren, muss die Bewegung ein alternatives Programm erarbeiten, das die Milliarden für S21 anderen Zwecken zuführt, z.B. der Schaffung von Kita-Plätzen.

Der neuen Regierung muss genauestens auf die Finger geschaut werden: Wo bricht sie ihre Versprechen, wo wird gekürzt, wo dient ihre Politik ganz offensichtlich dem Kapital usw. Die Basis der Grünen wie der SPD, aber auch die AnhängerInnen der LINKEN, die KollegInnen in den Betrieben, die Jugend, Arbeitslose und ImmigrantInnen müssen über die zu erwartenden Schweinereien der grün/roten Regierung nicht nur informiert werden – sie müssen vor allem zum Kampf dagegen aufgefordert und organisiert werden!

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