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Berlin

Sieg dem Streik an der Charité!

Arbeitermacht-Flugblatt, Infomail 553, 5. Mai 2011

Seit Montag, den 2. Mai, befinden sich die Beschäftigten an der Charité im Ausstand. Der Arbeitskampf trifft nicht nur auf große Unterstützung unter der Belegschaft, sondern auch in der Bevölkerung.

Schließlich wissen wir alle, dass der Streik an der Charité auch im Interesse der gesamten Bevölkerung geführt wird, um eine weitere Verschlechterung des Gesundheitswesens zu verhindern.

Geheucheltes Verständnis...

Selbst die Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus geben sich „verständnisvoll“. Mehr Geld bewilligen wollen sie aber nicht. SPD, Linkspartei und Grüne spielen Charité-Chef Einhäupl den schwarzen Peter zu. Dieser hätte es verabsäumt, die Tariferhöhungen in die Budgetplanung einfließen zu lassen, so Wolfgang Albers von der LINKEN in der Berliner Zeitung vom 4. Mai. Auch der SPD-Abgeordnete Oberg empört sich über die Dumpinglöhne bei der Charité-Tochter CFM (Charité Facility Management).

Doch das alles ist ein zynisches Spiel. Wenn es darum geht, mehr Gelder für höhere Löhne zu bewilligen, wenn es darum geht, die Charité-Tochter CFM zur Bezahlung von Mindestlöhnen zu zwingen oder, besser, wieder in den Charité-Verbund einzugliedern und den Charité-Tarif zu zahlen, geben sich die „verständnisvollen“ Helden aus dem Senat machtlos.

Und die „Opposition“ ist natürlich nicht besser. Auch die Grünen wollen für die Gesundheit, die ihnen angeblich über alles geht, nichts zahlen, jedenfalls nicht aus der Kasse des Landes. Die CDU-Abgeordnete Zimmer verstehe zwar die Beschäftigten, aber auch dem Unternehmen gehe es schlecht - und da müssten eben auch „die Mitarbeiter einen Beitrag leisten“. Oder anders gesagt: wer die Arbeit leistet, hat die Arschkarte gezogen.

Die Noch-Abgeordnetenhauspartei FPD hat überhaupt den asozialsten Vorschlag parat. Ihr Sprecher Kai Gersch erklärt, man müsse nur einen Klinik-Standort schließen, dann wäre genug Geld für die „restlichen“ Beschäftigten da.

Kein Vertrauen in falsche Freunde!

Im Grunde setzen Senat und Opposition im Abgeordnetenhaus mit diesem Spiel nur die Politik fort, die sie seit Jahren betreiben. Auf dem Rücken der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und durch Einsparung sozialer Leistungen bei der gesamten Bevölkerung soll der Landeshaushalt saniert werden. Das trifft natürlich zuallererst die Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Jugendlichen und RentnerInnen. Durch solche  Einsparungen und fehlende Investitionen werden letzten Endes weitere Schließungen,  Privatisierungen und Auslagerungen vorbereitet.

Dass sich die Abgeordneten jetzt „solidarisch“ geben und so tun, als wären sie immer schon für höhere Löhne gewesen, die nur ein Charité-Vorstand verhindere, ist leicht erklärt. Erstens wollen sie im Herbst wieder gewählt werden – und sozialer Kahlschlag im Gesundheitswesen bringt bekanntlich keine WählerInnen. Das gilt vor allem für die „linken“, „gewerkschaftsnahen“ Parteien SPD und LINKE. Zweitens wollen sie keinen längeren Streik, weil dieser den Konflikt verschärfen könnte. Am meisten aber fürchten sich diese Damen und Herren aber, dass sich alle anderen Lohnabhängigen in der Stadt diese Auseinandersetzung als Vorbild nehmen könnten.

Natürlich können und müssen wir uns im Streik die Lage des Senats zunutze machen. Wenn SPD und LINKE behaupten, auf der Seite der Beschäftigten zu stehen, so sollen sie das beweisen, indem sie für die SOFORTIGE Erfüllung ALLER Forderungen sorgen!

Es geht um mehr als 300 Euro!

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie die Beschäftigten mit einem Kompromiss abspeisen wollen – wie schon 2006 geschehen, als nach 8-tägigem Streik der aktuelle, schlechte Tarifvertrag herauskam.

Damit droht nicht nur eine Verwässerung der berechtigten Forderungen nach höheren Einkommen, gleichen Arbeitsbedingungen und Übernahme aller Auszubildenden bei  Charité und CFM .  Es geht auch darum, dass der Tarifkampf bei der Charité mehr ist als nur ein „normaler“ Arbeitskampf.

Die verheerenden Arbeitsbedingungen und die schlechten Löhne sind zwar bei der Charité besonders krass – aber sie sind im Grunde das Resultat einer neoliberalen „Gesundheitspolitik“, die seit Jahren zu einer Verschlechterung und Verteuerung der Gesundheitsvorsorge für die Masse der Bevölkerung führt. Das politische Verbrechen des Berliner Senats besteht nicht nur darin, Bezahlung unter Bundestarif bei der Charité und Hungerlöhne bei CFM zu „tolerieren“. Der rot-rote Senat hat auch jahrelang selbst die neoliberale „Gesundheitsreform“ in Berlin vorangetrieben und SPD wie LINKE wollen diese Politik fortsetzen.

Die Verantwortlichen im Charité-Management, im Senat und im Abgeordnetenhaus sowie die Manager in den Gesundheits-, Pharma- und Medizintechnikkonzernen fürchten, dass unser Streik diese menschenverachtende Gesundheitspolitik in Frage stellt - eine Politik, der es letztlich nur um Milliardenprofite der Konzerne geht. Die Gesundheit der PatientInnen, die Einkommen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten spielen bei diesem Geschäft vorzugsweise als „Kostenfaktoren“ eine Rolle, die es zu senken gilt.

Was bedeutet das für den Arbeitskampf?

Für den Streik bedeutet das, einen harten Kampf zur unmittelbaren Durchsetzung der Tarifforderungen zu führen. Doch mehr als das! Wir müssen längerfristige, über den Lohnkampf hinausgehende politische Mobilisierungen in allen Krankenhäusern, im gesamten Öffentlichen Dienst, ja der ganzen Gesellschaft gegen die ruinöse „Gesundheitspolitik“ aufbauen.

Hier liegt aber eine grundlegende Schwäche der Politik der Tarifunion von Verdi und des DBB im aktuellen Arbeitskampf. Die politische Dimension des Konflikts und die Pläne zur weiteren profitträchtigen „Umstrukturierung“ und der Privatisierung des Gesundheitswesens werden nicht thematisiert. Es wird sogar so getan, als hätten Senat und Management auch ein Interesse an höheren Löhnen, um so die „Abwanderung von Fachkräften“ zu anderen Häusern zu verhindern. Dumm nur, dass sich weder Management noch Senat davon beeindrucken lassen. Schließlich sollen die Löhne branchenweit weiter gedrückt werden – CFM lässt grüßen!

Wir brauchen keine Illusionen. Wir wollen einen politisierten Arbeitskampf gegen die kapitalistische Gesundheitspolitik von Senat, Industrie und Bundesregierung. Gegenwärtig wird der Streik an der Charité weiter gestärkt und erhält immer mehr Zulauf. Das ist sehr gut!

Jetzt geht es darum, ihn in andere Bereiche des Öffentlichen Dienstes und andere Brachen zu tragen – beginnend mit Krankenhäusern des Vivantes-Konzerns. So kann nicht nur der Druck auf den Senat weiter erhöht werden. Damit würde auch die Basis für einen längerfristigen, gemeinsamen Kampf gegen die Angriffe auf das Gesundheitswesen, insbesondere gegen die Kopfpauschale, gelegt werden.

Wir müssen davon ausgehen, dass sich der Senat und das Management auf eine Hinhaltetaktik einstellen. Sie werden den Streik länger hinziehen lassen wollen und im Verbund mit der Boulevardpresse den aktuell sehr populären Kampf in der Bevölkerung diskreditieren. Schon jetzt verweisen sie unermüdlich auf die „Millionenverluste“, die täglich durch den Streik verursacht würden. In den nächsten Tagen werden sie sicher versuchen darzustellen, wie „entgegenkommend“ doch ihre „Angebote“ sind und wie „unflexibel“ die Forderung nach 300 Euro ist.

Dagegen hilft nur der Aufbau von Solidaritätskomitees. In diese sollten die PatientInnen, ihre Angehörigen, die Gewerkschaften und Beschäftigte aus den anderen Branchen in Berlin einbezogen werden.

Wessen Streik? Unser Streik!

Wir glauben, dass der Streik vor allem dann erfolgreich sein wird, wenn er demokratisch von unten kontrolliert und bestimmt wird. Vielen – nicht nur den Beschäftigten – ist noch der Streik vom September 2006 in Erinnerung, der mit einem schlechten, faulen Kompromiss endete. Nun verspricht Verdi, radikaler zu agieren. Doch Vertrauen mag gut sein, Kontrolle ist besser!

Aktuell liegt die Führung des Streiks bei den Gewerkschaftsfunktionären von ver.di und DBB.

Die Aktionsplena, die täglich stattfinden, sind ein Schritt, die Basis stärker einzubeziehen. Aber sie ändern nichts daran, dass im Zweifelsfall letztlich die Funktionäre der Gewerkschaften bestimmen, ob ein Gesprächsangebot angenommen wird, ob eine „Kompromisslinie“ weiter verfolgt werden, ob es Solidaritätsstreiks auch an anderen Krankenhäusern geben soll. Wenn wir sicherstellen wollen, dass sich 2006 nicht wiederholt, so muss diese Führung den demokratischen Entscheidungen der Streikenden verpflichtet werden.

Die Plena müssen sich in Versammlungen verwandeln, die über Streiktaktik, Streikführung und etwaige Delegationen für Gespräche und Verhandlungen diskutieren und bestimmen. Die Streikleitungen und die Tarifkommission müssen diesen Versammlungen rechenschaftspflichtig sein, von ihnen gewählt werden und jederzeit abwählbar sein. Damit kann nicht nur eine Kontrolle über den Kampf und alle Entscheidungen durch die streikende Basis sichergestellt werden. Dadurch können auch die aktivsten KollegInnen in die Führung des Streiks eingebunden und die Gesamtbeteiligung vergrößert werden - der Streik wird schlagkräftiger!

Solidarität mit dem Streik an der Charité!

Kampf für die Erfüllung aller Forderungen!

Gemeinsamer Kampf gegen die neoliberale „Gesundheitspolitik“ von Senat und Bundesregierung!

Solidaritätsaktionen und Streiks bei anderen Krankenhäusern und in anderen Branchen!  Solidaritätskomitees mit dem Streik!

Beschlüsse über alle Fragen des Streiks und der Streiktaktik sowie Wahl der Streikleitungen und Verhandlungskommissionen durch die Plena und Vollversammlungen der Beschäftigten!

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