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Unwort des Jahres

„Betriebsratsverseucht“

Kuno Benz, Stuttgart, Neue Internationale 147, 25. März 2010

Der Begriff „betriebsratsverseucht“ wurde zum Un-Wort des Jahres 2009 gewählt. Mit diesem Begriff wurden nach einer Recherche der ARD-Sendung „Monitor“ Beschäftigte einer Baumarkt-Kette bezeichnet, die von einer Filiale mit Betriebsrat in eine ohne Betriebsrat wechselten.

Eine seltsame Übung, Betriebsräte als Seuche und Arbeitskräfte, die in Kontakt mit Betriebsräten geraten, als verseucht zu bezeichnen.

Woher aber rührt diese Angst, die manchen Chef dazu treibt, eine solche (Un)-Wortwahl zu gebrauchen? Warum müssen immer wieder aktive Gewerkschafter und Betriebsräte wie Seuchen bekämpft, verfolgt und möglichst ausgerottet werden?

Als Seuche wird nach medizinischer Definition die plötzliche Erkrankung zahlreicher Menschen an einer Infektionskrankheit bezeichnet. Zur Seuchenbekämpfung dienten bereits seit dem Mittelalter Maßnahmen wie Flucht, Quarantäne, Desinfektion, Entwesung, Versammlungsverbot, Gesundheits-Polizei und Beten. Einige dieser Maßnahmen gehören wohl zum Wunsch-Repertoire mancher Chefs – wir empfehlen diesen Chefs Flucht und Beten. Doch meistens greifen sie bei der Seuchenbekämpfung zu „arbeitsrechtlichen Maßnahmen“ wie Kündigung und Abmahnung ...

Woher kommt die Betriebsratsseuche?

Historisch trat die Betriebsratsseuche zum ersten Mal in der Folge der November-Revolution 1918 auf – als Nachfolge-Seuche der Arbeiter- und Soldatenräte. Das Kaiserreich wurde gestürzt und die Weiterexistenz des Kapitalismus hing an einem seidenen Faden. Letztendlich wurde diese Seuche jedoch von der damaligen Obrigkeit erfolgreich bekämpft. Was übrig blieb, war das Betriebsräte-Gesetz in der Weimarer Verfassung. Immerhin gab es für diese Betriebsräte sogar ein Streikrecht ...

Nachdem die Betriebsratsseuche zwischenzeitlich durch die Nazi-Diktatur ausgerottet schien, trat sie umso heftiger wieder in den Nachkriegsjahren auf. Die Leute hatten genug von Faschismus und Kapitalismus und wollten wie schon 1918 selbst über Wirtschaft und Betriebe bestimmen. Eine schreckliche Vorstellung für die Machthaber! Mit Mühe und Bonbons für Arbeiter- und Gewerkschaftsbürokratie wurde die Seuche eingedämmt – diesmal durch das Betriebsverfassungsgesetz. Seither schlummert die Seuche in den Betriebsratsbüros.

Dabei brauchen die Chefs vor dem Betriebsverfassungsgesetz keine Angst zu haben. Dort ist die „vertrauensvolle, sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit“ zwischen Arbeitskräften und Unternehmern geregelt. Die eigentliche Seuche, vor der die Chefs zittern, sind die Belegschaften – die Beschäftigten hinter den Betriebsräten.

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