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Haiti

Kolonialherrschaft statt Humanität

Bruno Tesch, Infomail 465, 20. Januar 2010

Schleppend anlaufende zivile Hilfsaktionen für Haiti - Blitztransfer von US-Truppen auf den Inselstaat. Deutlicher konnte nicht vor Augen geführt werden, was die Interessen des Imperialismus in abhängigen Ländern sind.

US-Interventionen

Haitis Geschichte ist ein Paradebeispiel für den Leidensweg imperialisierter Länder. Zwar hatte Haiti schon 1825 seine nominell anerkannte Souveränität als Staat erlangt, doch seit dem frühen 20. Jahrhundert befindet es sich im Würgegriff des US-Imperialismus, den dieser seither nie gelockert hat. Das Land ist stets als angestammtes Hinterland betrachtet und monokulturell sowie als Arbeitskräftereservoir genutzt worden.

Immer wieder griffen die USA unmittelbar in die politischen Geschehnisse in Haiti ein. Nicht genehme Regierungen, wie das des populistischen Aristide, der Front gegen die schmarotzende Eliteschicht machte, wurden gestürzt (1991 und 2004). Andererseits wurden Korruption und brutale Diktatur, besonders in der Zeit der berüchtigten Duvalier-Dynastie („Papa Doc“ und „Baby Doc“ zwischen 1957 und 1985) nicht nur geduldet, sondern gefördert, weil sie für ein den US-Firmen angenehmes Ausbeutungsklima sorgten und zudem resistent gegen eine Infektion mit dem „Kuba-Virus“ waren.

Militärische Präsenz der USA ist auf Haiti alltäglich, aber die überfallartige Besetzung des Hauptflughafens im Land zeigt klar, dass sich die imperialistische US-Politik auch unter Obama keinen Deut gewandelt hat. Noch eklatanter wurde dieses Sheriff-Gebaren, als die Marines um den Flugplatz von Port-au-Prince eine Sicherheitszone einrichteten. Der Einlass wird streng kontrolliert. Westliche Staatsangehörige sind ausgeflogen worden. Einheimischen, die fliehen wollen, wird der Zugang aber verwehrt  Anfang der Woche durften sogar nur amerikanische Flugzeuge landen und starten.

Das bedeutet natürlich, dass Nachschublieferungen an Lebensmitteln, Hilfskonvois und Rettungs- und medizinisches Personal und Material sowie infrastrukturelle Maßnahmen beim Wettlauf gegen die Zeit nicht nur empfindlich gestört, sondern sabotiert werden.

Vordringlich für die USA ist offenkundig jedoch, die Präsenz der 3.500 Elitesoldaten noch durch Polizeitruppen zu verstärken. Auch die EU hat Bereitschaft angemeldet, Polizisten zu entsenden. So sollen eine „Gendarmerie“ - in Wirklichkeit paramilitärische Einheiten -geschickt werden. Schließlich will auch die EU - und hier v.a. Frankreich mit seinen lange zurückreichenden kolonialen Interessen - auch bei einer Rekolonialisierung Haitis mitreden und mitbestimmen. Dieser Anspruch kann am ehesten mit einer eigenen bewaffneten Präsenz untermauert werden. Auch die UN-Blauhelme entpuppen sich dabei wieder einmal, als Hilfstruppe der imperialistischen Mächte.

Die Medien malen dazu geschickt am Bild, dass Haiti ohne US-Truppen im Chaos versinken ersticken würde. Sie behaupten, dass es in Haiti eine „wirklich humanitäre“ Intervention gebe, dass imperialistische Truppen und zivile Hilfsdienste Hand in Hand für die Bevölkerung arbeiten würden. Dabei wird nicht nur verschwiegen, dass Länder wie Kuba beweisen, dass humanitäre Hilfe z.B. durch Ärzteteams und medizinische Versorgung keiner militärischen Absicherung bedarf. Der Haitianischen Bevölkerung wird auch in rassistischer Manier unterschoben, dass sie zur eigenen Kontrolle über die Verteilung von Gütern nicht fähig wäre, ja dass sie gar HelferInnen angreifen würde, wären nicht vor jeder Hilfeleistung „Ruhe und Ordnung“ hergestellt.

Parallelen

Hier zeigen sich Parallelen zum Vorgehen nach dem Wirbelsturm Katrina 2005. Dieser hatte die Stadt New Orleans im Süden der USA verheert. Als ersten Befehl gab damals die Regierung nicht die Anweisung zur Versorgung und Evakuierung der Bevölkerung, sondern zum Einsatz der Nationalgarde gegen angebliche Plünderer. Jeder Ansatz von Selbstverwaltung besonders unter der Armut, z.B. durch Komitees zur Lebensmittel-Verteilung oder durch Bewaffnung, sollen hier wie dort im Keim erstickt werden.

Die wahren Herrscher des Landes zeigen sich jetzt offen. Als US-Außenministerin Hilary Clinton nach Haiti flog, versprach sie auf der ersten Pressekonferenz 100 Millionen Dollar Hilfe für das Land. Im nächsten Atemzug ließ sie aber auch keinen Zweifel am imperialistischen Mandat der USA: „Wir werden heute hier sein, morgen und darüber hinaus.“ Diese Drohung ist ernst gemeint und muss ebenso ernsthaft bekämpft werden.

Sofortige Öffnung des lebensnotwendigen Flug- und Schiffsverkehrs!

Keine imperialistische Militär- und Polizeipräsenz! Sofortiger Abzug der US-Truppen und ihrer Verbündeten!

Infrastrukturelle Sofortmaßnahmen für den Zugang zu allen Katastrophengebieten!

Umfangreiche Hilfslieferungen, Versorgungsmaßnahmen und Aufbauprogramme, bezahlt von den imperialistischen Konzernen und der haitianischen Oberschicht unter Kontrolle von gewählten Ausschüssen auf Wohngebiets- und Betriebsebene!

Enteignung der imperialistischen Besitzungen wie des Flughafens von Port au Prince und der großen Ländereien unter Arbeiterkontrolle! Sofortige und bedingungslose Streichung der Staatschulden!

Aufbau eines Hilfsgüter-Verteilungsnetzes mit unmittelbar gewählten und abwählbaren VertreterInnen aus Gewerkschaft und Wohnvierteln!

Internationale Arbeiterkontrolle über Sach- und Geldspenden und über den Fortgang der Maßnahmen in Haiti!

Aufbau von eigener Solidarität in imperialistischen Ländern, z.B. durch Gewerkschaften, Einladung von haitianischen Delegationen!

Die dramatische Situation in Haiti ist nicht nur Ergebnis des Erdbebens, sondern sie ist zugleich auch Resultat der jahrzehntelangen imperialistischen Beherrschung und Ausplünderung des Landes mit Hilfe korrupter terroristischer Regime.

Der Kampf gegen die erneuten Versuche des Imperialismus, unter „humanitärer“ Flagge Haiti noch direkter zu kontrollieren, muss damit verbunden werden, die Selbstorganisation, die Selbstkontrolle der Bevölkerung, besonders der ArbeiterInnen, der städtischen und ländlichen Armut, zu fördern. Diese Organe können zu Keimen eigener Kampf- und Machtorgane werden. Auf ihnen basierend könnte ein Rätesystem, könnte eine Arbeiter- und Bauernregierung errichtet werden, die das Land dem Würgegriff des Imperialismus entreißt und die einheimische Oligarchie stürzt.

Diese Perspektive mag gegenwärtig, angesichts der Zerstörungen, der Not und des Sterbens in Haiti utopisch erscheinen. Doch wenn Haiti eine Zukunft haben soll, dann bleibt ihm nur dieser Ausweg - ansonsten werden die Nachrichtenticker über Haiti auch künftig nur  von Hunger, Armut, Katastrophen und imperialistische Intervention berichten.

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