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Brief in den Iran

Für Freiheit vom iranischen Regime und vom Imperialismus!

Liga für die Fünfte Internationale, veröffentlicht auf Farsi am 9. August 2009, Infomail 442, 31. August 2009

Die zunehmenden öffentlichen Spaltungen in Irans diktatorischem Regime haben eine neue Welle von Demonstrationen ausgelöst. Die internationalen Presseagenturen beschreiben diese als spontane Ereignisse, aber wie Trotzki von der Februarrevolution in Russland sagte, bedeutet dies nur, dass sie nicht wissen, wer sie organisiert. In Städten im ganzen Land mobilisieren AktivistInnen Tausende um die Forderungen nach Demokratie und Ende der Diktatur. Diesen Brief schreiben wir an genau jene AktivistInnen und ihre MitstreiterInnen.

Das iranische Regime ist der Feind des iranischen Volkes. Es predigt islamische Moral, mästet sich aber mit den Profiten aus Öl und anderen Reichtümern des Landes. Die Arbeiterklasse plagt sich unter einem Polizeistaat, überwacht und kontrolliert von bewaffneten Garden. Das Regime bedient sich der kriminellen Elemente von Pasdaran und Basidj, um Protestierende niederzuknüppeln und jede abweichende Haltung zu zerschlagen. Junge Leute werden kriminialisiert, weil sie mehr Freiheit wollen. Politische AktivistInnen werden verhaftet und eingesperrt, gefoltert und getötet. Iraner werden nicht als Bürger, als ‚souveränes Volk’, sondern wie unmündige Kinder behandelt, die der ständigen Aufsicht der Geistlichkeit, der Welajet-e Faki bedürfen. Aber der Klerus ist selbst der Anleitung durch den obersten Führer, der auf Lebenszeit ernannt worden ist, unterworfen.

Das ist eine Karikatur einer Republik bzw. einer Demokratie. Doch der Druck der Bevölkerung macht sich selbst in den höchsten und exklusivsten Zirkeln bemerkbar. Nun zeigt sich, dass die herrschende klerikale Kaste tief gespalten ist über die Frage, wer regieren soll. Khamenei will die Diktatur verstärken, während Rafsandjani und Mussawi meinen, dass die islamische Republik reformiert werden müsse, um sie vor dem Untergang zu retten.

Die iranische Bevölkerung fordert und braucht Demokratie – aber die ‚Herrschaft durch das Volk’ muss mehr sein als das Recht, für Kandidaten zu stimmen, die zuvor von hohen Geistlichen ausgewählt worden sind. Die Kontrolle der klerikalen Kaste muss gebrochen werden, und der Wille des souveränen Volkes muss sich in gleichen, direkten und geheimen Wahlen ausdrücken. Es darf keine Zulassungsbeschränkung für KandidatInnen oder Parteien geben. Die Bevölkerung braucht keine selbsternannten Aufpasser.

Aber selbst solche freien und fairen Wahlen, so wichtig sie auch sein mögen, würden die Bedürfnisse der Bevölkerung kaum sicherstellen. Millionen Arbeiter in den reichsten Ländern der Welt haben zwar das Recht, jedeN beliebigeN zu wählen, aber trotzdem schützt sie das nicht vor Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und das Angewiesensein auf Suppenküchen, weil sie nicht die Kontrolle über die Wirtschaft ihres Staates haben.

Außerdem würde auch ein demokratisches Iran die wirtschaftliche und militärische Macht der imperialistischen Staaten zu spüren bekommen. CIA und andere imperialistische Agenturen warten nur darauf, aus den Turbulenzen im Iran Nutzen zu ziehen, um einen neuen Schah auf den Thron zu setzen, der von den US-Truppen gestützt wird. Die westlichen Mächte sind keine Freunde der iranischen Massen, sie wollen nur eins: Irans Öl- und Gasreserven kontrollieren. Die Imperialisten und ihre Organisationen wie UNO und Internationaler Währungsfonds müssen abgelehnt werden. Es darf keine Illusionen und keine Unterstützung für diese Diebesbande geben!

Die Massenproteste nach den manipulierten Wahlen haben die Regierung nicht zu Fall gebracht. Notwendig ist nichts weniger als eine Revolution, ein Sturz des ganzen Systems. Lenin sagte einmal, dass diejenigen, die eine halbe Revolution machen, eigentlich gar keine Revolution machen, sie schaufeln vielmehr ihr eigenes Grab. Diese Lehre muss auch im Iran beherzigt werden. Die elementare gesellschaftliche Kraft, die das Regime stürzen kann, wie sie auch den Schah gestürzt hat, die Arbeiterklasse, trat nicht organisiert während der jüngsten Proteste in Erscheinung. Warum sollte sie auch? Wenn die Bewegung nur fordert, dass Mussawi eine neue Gelegenheit erhält, zum Präsidenten gewählt zu werden, was haben die ArbeiterInnen davon? Sie entsinnen, was er den SozialistInnen in den 80er Jahren angetan hat – er ist kein Freund der Arbeiterschaft.

Die Vorbedingung für einen Erfolg ist die Unabhängigkeit von allen Flügeln des Regimes. Trotz fraktioneller Differenzen zwischen den Khamenei/Achmadinedjad- und den Rafsandjani/Mussawi-Cliquen wollen doch beide die klerikale Kontrolle über die Bevölkerung wahren und stehen für ein kapitalistisches Iran mit Privatisierungen von Staatsbesitztümern. Heidari Kord-Sangeneh, Achmadinedjads stellvertretender Finanzminister und Chef der Iranischen Privatisierungsorganisation, versprach vor den Wahlen: „ Wenn ich in den nächsten zwei Jahren noch im Amt bin, werden zwischen 80% und 90% von der Regierung verkauft sein.“ (Iran Daily, 2.12.2008)

Nur Forderungen, die den Klassenkampf im Iran aktivieren, können geeignet sein, das Regime nieder zu zwingen und den Kapitalismus abzuschaffen,  das System, das die große Mehrheit der Iraner ausbeutet und verarmen lässt, das jedoch von allen Flügeln des Regimes gestützt wird.

Der revolutionäre Kampf muss zwar mit dem Engagement für Demokratie beginnen, aber die Kräfte bündeln durch Ausweitung und Vertiefung des Rückhalts von Seiten breiterer Schichten und muss v.a. die Arbeiterklasse zentral einbeziehen. Das heißt auch, die stoßkräftigsten Forderungen der Arbeiterschaft in Bezug auf Lohn, Arbeitsbedingungen, Gewerkschaftsrechte und Arbeitsplätze zu erheben. Mit militanten klassenkämpferischen Methoden, Massenmobilisierungen, Streiks, Besetzungen kann die Arbeiterklasse die treibende Kraft im Kampf und der gefechtsentscheidende Kämpfer in der Schlacht gegen die Regierung werden.

Diese Kämpfe werfen die Frage auf, wer leitet die Gesellschaft? Wer herrscht? Wer hat die Macht? An diesem Punkt kann ein entschlossener und ernsthafter Vorstoß der Arbeiterklasse, die Macht zu erobern, schwankende Teile der Mittelschichten mitreißen und auch mehr ländlichen Armut einbeziehen sowie einen Teil der Armee von den Herrschenden losbrechen, wenn die Bevölkerung sieht, dass ein Entscheidungskampf um die Zukunft des Iran ausgetragen wird. Die Frage des Staatsapparat kann nur auf eine Weise gelöst werden, nämlich durch die Zerschlagung des iranischen Staates im Revolutionsgeschehen.

Die Forderung nach einer Verfassung gebenden Versammlung muss überall im Iran populär gemacht werden. Ein Generalstreik der ArbeiterInnen für deren Einberufung würde die Regierung stürzen. Räteähnliche Organe wie die Schoras sollten in allen Bereichen von der Ortsebene aufwärts bis zu einem landesweiten Rat, der diesen Kampf koordiniert. gebildet werden. Nur ihnen ist zuzutrauen, dass wahrhaft freie Wahlen zustande kommen, um eine Versammlung zu schaffen, die wirklich repräsentativ für die Mehrheit ist. Die Aufgabe dieser Konstituante wäre die völlige Neuschreibung der iranischen Verfassung. In diesem Prozess würden die ArbeiterInnen und RevolutionärInnen für die Abschaffung des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus eintreten.

Die Schoras würden eine vortreffliche Grundlage abgeben für die Bildung einer Regierung, die wirklich demokratisch und verantwortlich für die Bedürfnissse der Bevölkerung ist. Das wäre nichts weniger als eine Revolution, die die Kontrolle der Gesellschaft in die Hände der ArbeiterInnen, Bauern und Jugend legt. Es muss eine Arbeiter- und Bauernregierung gebildet werden, die sich auf die Schoras gründet und verteidigt wird von Arbeiter- und Bauernmilizen. Ihr wirtschaftliches Ziel sollte die vollständige und entschädigungslose Enteignung von Industrie, Finanz- und Transportwesen aus den Händen der herrschenden Klasse im Iran sowie die demokratische Planung der Wirtschaft sein.

Zweifelsohne werden ArbeiterInnen, Jugend und Bauern für die Verwirklichung dieser Ziele mit vollstem Einsatz kämpfen müssen. Keine Klasse tritt ihre Macht freiwillig und ohne Gegenwehr ab. Aber eine Revolution gegen die islamistische Reaktion und das Elend des Kapitalismus würde fraglos mächtige Bundesgenossen haben. Sie würde die gesamte Region in Aufruhr versetzen und den Massen helfen, ihre verräterischen Regierungen in Ländern wie Ägypten, Saudi Arabien oder Jordanien hinwegzufegen.

Dieses Ziel mag äußerst unwahrscheinlich klingen, ist es aber nicht. Ein Anfang  für die Revolution ist mit den Protesten und Demonstrationen im Iran bereits gemacht. Deshalb fürchtet und hasst das Regime die Demokratiebewegung so sehr, und deswegen arbeitet Mussawi hinter den Kulissen, damit sie nicht außer Kontrolle gerät.

Unmöglich jedoch wäre eine spontane Revolution im Selbstlauf. Vielmehr müssen sich jene, die einen Umsturz anstreben, organisieren und in die bestehende Bewegung hineinwirken, um sie in diese Richtung lenken zu können. Mit anderen Worten: eine Revolution braucht eine revolutionäre Partei, die sich ihrer Aufgaben bewusst ist und darauf vorbereitet, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Diese Partei muss jetzt aufgebaut werden, sonst wird die Bewegung in sich zusammen fallen, ihre Spannung verlieren und der Reaktion erlauben, die Offensive zurück zu gewinnen, und alles, was gewonnen worden war, ist dann wieder zerronnen.

Offenkundig ist In der gegenwärtigen Lage die Sicherheit ein entscheidender Faktor. Geheime Treffen müssen überall im Lande abgehalten werden. AktivistInnen müssen sich vernetzen und ein Programm von wirtschaftlichen, demokratischen und revolutionären Forderungen an die Arbeiterklasse heran tragen. Eine Konferenz muss einberufen und eine revolutionäre Partei organisiert werden. Ohne diese Voraussetzung ist kein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel möglich. Die Alternative wäre, dass in jedem Jahrzehnt eine neue Generation von studentischen AktivistInnen auf die Straße ziehen wird, die Kugeln und Knüppel des Regimes gegen sich gerichtet sieht und am Ende besiegt wird. Eine revolutionäre Partei im Untergrund, die jetzt vorbereitet und aufgebaut wird, kann allerdings das Kräftegleichgewicht zu Gunsten der Arbeiter-, Bauernschaft und radikalen Jugend verändern.

Wir schlagen als Herzstück eines solchen Parteiaktionsprogramms vor:

- Weder Khamenei und Achmadinedjad noch Mussawi, Rafsandjani oder Khatami !

- Die demokratische und Arbeiterbewegung darf nicht für die Interessen irgendeiner Fraktion der herrschende Klasse eintreten. Sie muss sich für ihre eigenen demokratischen und gesellschaftlichen Ziele einsetzen.

- Freiheit für alle politischen Gefangenen und militanten Gewerkschafter

- Für Demonstrations- und Versammlungsfreiheit

- Für Presse- und elektronische Medienfreiheit

- Für die Auflösung der Basidj-Milizen und Auslieferung der Mörder und Folterer vor ein Bevölkerungstribunal

- Volle Gewerkschaftsrechte für alle ArbeiterInnen

- Nein zur Privatisierung von öffentlichen Unternehmen ! Nein zu Preiserhöhungen und Kürzungen in der Versorgung mit Nahrungsmitteln

- Bildung von Verteidigungsorganen in jedem Betrieb und an jedem Punkt des Klassenkampfs

- Für volle Gleichheit und Emanzipation aller Frauen !

- Für freie Sexualität und Beendigung der sexuellen Unterdrückung durch die Regierung

- Für einen landesweiten Generalstreik

- Für eine revolutionäre Verfassung gebende Versammlung

- Selbstbestimmung für die nationalen Minderheiten im Iran

- Für ein massives Programm von öffentlichen Arbeiten, bezahlt aus Besteuerung der Reichen, um den Arbeitslosen Arbeit zu geben, die Elendswohnlage für Millionen in den Großstädten zu verbessern und moderne Errungenschaften in ländliche Gegenden zu bringen

- Entschädigungslose Enteignung des großen Landbesitzes – das Land denen, die es bebauen

- Für den Aufbau einer revolutionären Partei als Teil der revolutionären Fünften Internationale

- Für eine Arbeiter- und Bauernregierung

- Für internationale Arbeitersolidarität mit der iranischen Demokratiebewegung

- Für Protestaktionen vor iranischen Botschaften! Für materielle Hilfe an die iranische Arbeiterbewegung! Die internationale Arbeiterbewegung muss an der Seite der iranischen Demokratiebewegung die imperialistischen Versuche bekämpfen, ihren Einfluss wie unter dem Schah zurückzugewinnen! Keine westlichen Marionetten! Für bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf und dem Widerstand im Libanon und Irak! Eine Arbeiter- und Bauernregierung würde materielle Unterstützung nicht als taktisches Mittel anwenden, um den Einfluss des iranischen Staats zu vergrößern, wie die reaktionäre Achmadinedjad-Regierung dies tut. Stattdessen würde sie diese Hilfe als Teil einer Strategie zur Internationalisierung der Revolution nutzen

- Für eine Sozialistische Staatenföderation im Nahen Osten!

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