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Hessen

Zur Lage vor der Wahl Ypsilantis

Peter Lenz, Infomail 390, 1. November 2008

In den Leserbriefspalten der Kasseler Lokalzeiten HNA tobt der Krieg der Dumpfbacken. Da wird der Kampfhund von der Leine gelassen. Hasstriefende Kommentare sind dort zu finden, meist wüste Beschimpfungen gegen Ypsilanti, andere SPD-PolitikerInnen und die LINKE.

Die bürgerlichen Kräfte spucken Gift und Galle

Koch, Hahn und andere sagen eine "Katastrophe" voraus. Die FDP steht wohl hinter einer Initiative namens "Kein Wortbruch in Hessen".

"Gegen die von Ypsilanti beabsichtigte Machtübernahme hat sich eine Initiative namens ‚Kein Wortbruch in Hessen’ gebildet. Ihr gehören nach eigenen Angaben die frühere FDP-Landesvorsitzende Ruth Wagner, die als ‚Frau vom Checkpoint Charlie’ bekannt gewordene Jutta Fleck sowie einige hessische Unternehmer an."

Impressum der "Initiative": "Alexander Demuth, Lehrbeauftragter, Geschäftsführer Citigate  Demuth

Zur Person: Alexander Demuth studierte Publizistik in Wien (Österreich) und war anschließend zunächst als Journalist bei Wiener Tageszeitungen tätig. In der Folge beteiligte er sich maßgeblich am Aufbau der später größten PR-Agentur Österreichs, leitete für zehn Jahre die Bereiche Presse und Information der Ford-Werke AG, Köln, und wurde später Geschäftsführer von J. Walter Thompson Corporate Communications in Frankfurt.

Alexander Demuth ist Gründer sowie geschäftsführender Gesellschafter der inzwischen zur Citigate-Gruppe gehörenden Werbe- und PR-Agentur Alexander Demuth GmbH und Vorstandsmitglied im Gesamtverband der Kommunikationsagenturen. Er hat sich als Pionier für Corporate Communications und Corporate Branding durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Büchern einen Namen gemacht."

Soweit diese Initiative. Gegenwärtig beherrscht die Bourgeoisie über die Medien die öffentliche Diskussion, da kommt in den nächsten Wochen noch einiges. Sowohl CDU/FDP als auch führende Kräfte in der SPD werden alles tun, um eine rot-grüne Regierung in Hessen zu verhindern. Sie verbreiten das Märchen, Hessen stünde vor einer sozialistischen Machtübernahme, die Wirtschaft werden zusammenbrechen, weil Rot-Grün die Macht übernimmt.

Fragiles Gebilde

Dahinter steckt, dass im Wahlerfolg von rot-rot-grün sich durchaus soziale und politische Forderungen  der Massen widerspiegeln, teilweise direkt, teilweise in verzerrter Form. Diese verzerrte Form hat auch durchaus Eingang in den Koalitionsvertrag erhalten.

Insgesamt wird die rot-grüne Regierung ein sehr fragiles Gebilde sein: einerseits durch die Grünen, die vorwiegend kleinbürgerliche Interessen bedienen und durchsetzen wollen, zu anderen durch den inneren Zustand der hessischen SPD, die sowohl unter Beschuss durch die Sozialdemokraten in Parteispitze und Regierung steht, andererseits auch in Hessen erklärte Gegner einer Minderheitsregierung in ihren Reihen hat.

Sie stützt sich nicht auf Massenbewegung und Mobilisierung, sie symbolisiert geradezu die Einbindung von Protesten in das parlamentarische System. Und genau in diesem Punkt wird sie "geduldet" und "gestützt" durch die LINKE, die sich bedingungslos als "Juniorpartner" der SPD aufstellen will. Ihre "Einwände" sind nur "taktischer" Natur.

Selbstredend, das rot-grün den Staatsapparat (Polizei und Justiz) ausbauen will. Kein Wort zur zunehmenden Militarisierung in Hessen, zur Rüstungsproduktion oder zur Zerschlagung faschistischer Organisationen. Der Verfassungsschutz soll selbst entscheiden, ob er die LINKE beobachten will.

Bei einer Zunahme von Klassenkämpfen, von hartnäckigem Widerstand der ArbeiterInnen und der Jugend, wird diese Regierung kaum von Bestand sein.

Zur Entwicklung der ökonomischen Widersprüche

Erwerbslose, prekär Beschäftigte, von Entlassung bedrohte, MigrantInnen, Jugendliche usw. haben ihre Situation und die weitere Entwicklung eine andere Sichtweise als die bourgeoisen und reformistischen Kräfte.

Gerade wurde der unmittelbare Finanzcrash nur durch ein Milliardengeschenk an die Banken vorläufig abgewendet. Aber das ist eine trügerische "Ruhe". Der Staat lädt die Folgekosten auf den Massen auf, die entweder über Steuern, über Inflation früher oder später die Rechnung dafür zahlen müssen. Eher früher wie es aussieht.

Erste Krisenbooten sind schon: Tappert Wohnwagen; SCA Papierfabrik im Schwalm-Eder-Kreis; EDS in Rüsselsheim (EDV-Dienstleister, von HP gekauft, ein Viertel aller 2200 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden); Schwalm-Eder Kliniken; Bankenarbeitsplätze im Rhein-Main-Raum; Leiharbeiter bei VW (Etwa 500); Produktionsstopp bei Opel und Daimler; Kündigungen bei Ex-Karstadt.

Am 30. September 2008 wurden neue Arbeitslosenzahlen für Hessen gemeldet: Immer noch sind 194.385 Menschen arbeitslos gemeldet. Verglichen mit August waren 5188 Menschen oder 2,6 Prozent weniger als im August arbeitslos gemeldet.

Im Vergleich zum September des Vorjahres betrug der Rückgang 13 Prozent. Die auf alle zivilen Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote sank binnen Monatsfrist um 0,1 Punkte auf 6,3 Prozent. 2007 hatte die Arbeitslosenquote im September noch 7,2 Prozent betragen.

Erneut zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen kurzfristig Arbeitslosen und Empfängern des Arbeitslosengeldes II. Letztere stellen mit über 139.000 Menschen die große Masse (71,6 Prozent) der  Arbeitslosen in Hessen. Ihre Zahl sank im Vergleich zum August nur um 1,8 Prozent im Gegensatz zu den kurzfristig Arbeitslosen.

Neue Arbeitsplätze: dabei hinkt Hessen den Zahlen zufolge dem Bundestrend hinterher. Zwar wurden zwischen Rhein und Werra im Vergleich zum Vorjahresmonat auch 41.050 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gezählt.

Ein Plus von nur 1,9 Prozent, während der Bundesschnitt bei 2,2 Prozent lag. In den alten Bundesländern hat der durchschnittliche Zuwachs sogar 2,3 Prozent betragen.

Nahezu unverändert blieb der Bestand an offenen Stellen mit knapp 35.000, wobei nahezu ein Drittel dieses "Bedarfs" von Zeitarbeitsfirmen stammt.

Die Qualität der Jobs wird von der Behörde nicht hinterfragt. Wenn im Einzelhandel ein Vollzeitarbeitsplatz, auch schon schlecht bezahlt, auf drei Teilzeitarbeitsplätze aufgeteilt wird, sind dass zwar noch "sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse", aber keine Arbeitsverhältnisse, von denen jemand leben kann.

Das alles noch im Zeichen eines sogenannten Aufschwungs. Was die kommende schwere Rezession bringen wird, ist noch nicht abzusehen.

Die Grenzen der rot-grünen Politik

Die Krise der Automobilindustrie wird die Zentren der Produktion in Kassel und Südhessen nicht ungeschoren lassen. Auch andere Branchen wird die Krise ergreifen, einhergehend mit einer wieder drastisch anwachsenden Arbeitslosenzahl.

Der Landeshaushalt weißt ein riesiges Defizit auf. Etliche Kommunen haben in der Bankenkrise viel Geld verloren, andere bekommen die Auswirkungen ihrer riskanten Leasing- und Cross-Border-Verträge zu spüren. So muss die KVG mehrere Millionen zurückerstatten. Wie die Lage tatsächlich ist, bleibt im Dunkel von Geschäfts- und Vertragsgeheimnissen.

Die neue Landesregierung will zwar einen Kassensturz machen. Wir fordern allerdings die Offenlegung der Geschäftsbücher der Banken und der Verträge, die Kommunen eingegangen sind. Die Landesregierung tut das „natürlich“ nicht.

Die finanziellen Spielräume sind äußerst beschränkt, einer Landesregierung steht auch nur beschränkter Spielraum in der Steuerpolitik offen. Offen bleibt auch, wo die potentielle Landesregierung Ypsilanti/Wasir kürzen will, um ihrem Programm eine finanzielle Grundlage zu geben.

Noch weniger, wie es den "Sozialismus in einem Lande" geben kann, kann es eine "Trendwende" nur in Hessen geben. SPD, Grüne und letztlich auch die LINKE sind aber der Auffassung, das sich allein durch eine andere Akzentuierung der Ausgaben (so wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten werden) die ökonomischen Entwicklungen, die der Krise des Kapitals zugrunde ließen, aushebeln ließen. Sie bleiben bei einer Politik des Reparierens der Auswüchse des Kapitalismus, den sie aber im Kern erhalten wollen, allenfalls versehen mit mehr staatlichen Steuerungsaktivitäten. Und sie sind sich darin einig, dass dies nur über die parlamentarische Schiene steuern lässt, sind vereint im Glauben, der Staat sei neutral und im Sinne eines wie auch immer gearteten Fortschritts" nutzbar sei.

Dieses alleinige Setzen auf die "parlamentarische Karte" wird den Widerstand schwächen, die Regierung und die tolerierende LINKE von einem unhaltbaren Widerspruch in den nächsten treiben.

Das wird schon in der Frage des "Bildungsstreiks" in Hessen eine entscheidende Frage werden. Egal, wie die Wahl der Regierung in Hessen ausgehen wird, ist der Druck durch gemeinsame Aktionen und Organisierung von Schülerinnen, StudentInnen, Auszubildenden und erwerbslosen Jugendlichen notwendig. Es wäre fatal, wenn jetzt auf die Projekte SPD/GRÜNE/LINKE vertraut wird.

Es ist notwendig, schon jetzt die Initiative für einen Abwehrkampf gegen die kommende Krise zu ergreifen. Obwohl oder gerade weil sich die Gewerkschaften schon mal wirtschaftfreundlich auf die Knie legen, so IGM-Chef Huber, der freiwillig längere Laufzeiten für die Metall-Tarifverträge anbietet, oder ver.di, die einen "Burgfrieden" im Bankenbereich anbietet.

Den Kampf organisieren!

Wir haben einen Vorschlag für ein Programm vorgelegt, für dessen Durchsetzung wir den Kampf organisieren wollen:

"Übernahme der gestiegenen Lebenshaltungskosten von Arbeitslosen, Rentnern usw. durch den Staat, finanziert aus der Besteuerung der großen Unternehmen und Vermögensbesitzer!

Für eine gleitende Skala der Löhne, also eine automatische Anpassung der Einkommen an die Preissteigerung - festgelegt durch Preiskontrollkomitees und Gewerkschaften.

Für ein Mindesteinkommen für alle Arbeitslosen und RentnerInnen von 1.500 Euro pro Monat! Für einen Mindestlohn von 12 Euro/Stunde!

Nein zu allen Entlassungen! Entschädigungslose Verstaatlichung aller Unternehmen, die Massenentlassungen planen, unter Arbeiterkontrolle!

Nein zur Privatisierung von öffentlichen Unternehmen! Entschädigungslose Wiederverstaatlichung aller privatisierten Gesellschaften!

Entschädigungslose Enteignung der Großbanken, Aktienfonds und der Börse unter Kontrolle der Beschäftigten!

Ein solches Programm kann natürlich nicht durch parlamentarische Reden, Lobbying oder symbolische Aktionen durchgesetzt werden. Um solche Maßnahmen zu erzwingen, ist eine klassenkämpferische Bewegung in den Betrieben, in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig. Dazu bedarf es Großdemonstrationen und eines politischen Massenstreiks.

Von den Gewerkschaftsführungen, der Linkspartei, ja selbst von lammfrommen SPD-Linken wie Ypsilanti muss gefordert werden, mit ihrer Placebo-Politik zu brechen und den Kampf für Forderungen wie die oben skizzierten aufzunehmen. Doch wir wissen auch, dass die reformistischen Führungen der Arbeiterbewegung freiwillig einen solchen Kurs nicht einschlagen werden.

Basisbewegung

Daher ist es nötig, dass sich all jene in den Gewerkschaften und Betrieben sammeln und zu einer oppositionellen Basisbewegung formieren, die ein solche Perspektive einschlagen wollen; dass sie die kommenden Tarifrunden wie z.B. in der Metall- und Elektroindustrie mit einem Kampf für eine solche Perspektive verbinden.

Die Diskussion, wie ein solcher Kampf organisiert werden soll, muss auch auf dem Kongress der Gewerkschaftslinken ins Zentrum gerückt werden.

Von dort sollte der Aufruf zu einer bundesweiten Aktionskonferenz ausgehen, die den Kampf gegen die Auswirkungen der Krise berät, konkrete Forderungen und einen Aktionsplan beschließt sowie an die internationale, besonders europaweite, Koordinierung dieser Kämpfe geht - wenn möglich mit den DGB-Führungen und der LINKEN, wenn nötig ohne sie!"

Gemeinsamer Kampf mit SPD und LINKE, wo sie bereit sind, Interessen der Lohnabhängigen gegen CDU/FDP und Unternehmer zu verteidigen - aber keine politische Unterstützung für die Landesregierung!

Wir begrüßen die Abwahl von Koch, wir werden an Ypsilanti Forderungen stellen, aber wir werden diese Regierung nicht politisch unterstützen. Sie LINKE hat sich in das Projekt der rot-grünen Minderheitsregierung einbinden lassen und wird sich, wenn es um Auseinandersetzungen kommt, erklären müssen.

Wir werden die Mitglieder von LINKE und SPD selbstverständlich auffordern, gemeinsam für die Durchsetzung der elementaren Forderungen zur Abwehr der kapitalistischen Deklassierung zu kämpfen. Denn: Keine rot-grüne Regierung, nur unsere gemeinsame Aktion kann die Angriffe des Kapitals stoppen.

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