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Erster Mai 2008

Eine kurze politische Bilanz

Arbeitermacht Infomail 361, 4. Mai 2008

Die offizielle Mai-Berichterstattung des DGB liest sich wie jedes Jahr: 416.000 Menschen nahmen, auf 440 Veranstaltungen verteilt, einer Pressemitteilung zufolge, an den „offiziellen“ DGB-Demos teil. Ein Vergleich zum Vorjahr fehlt. Es dürften aber weniger gewesen sein, spricht doch die Gewerkschaftsführung regelmäßig von rund einer halben Million, die an den Veranstaltungen teilnimmt.

Auch inhaltlich brachten die DGB-Demos nichts Neues. Der DGB forderte, dass „gute Arbeit drinn sein müsse“ und die ArbeiterInnen und Angestellten vom Konjunkturaufschwung noch was abkriegen müssten (bevor er endgültig vorbei ist).

Doch was darunter zu verstehen ist, demonstrierte ver.di nicht nur beim Abschluss im Öffentlichen Dienst, bei der Post, sondern nach dem Ersten Mai auch bei der Berliner BVG. Aus dem „kräftigen Schluck aus der Lohnpulle“ wird gerade Mal ein Inflationsausgleich.

Besonders blamabel fiel die DGB-Demo in Berlin mit nur rund 3.000 TeilnehmerInnen aus, die von der Gewerkschaftsführung phantasievoll hochgerechnet wurden.

Warum so wenig?

Angesichts lascher Parolen, erbärmlicher Reden und einem neuen Schulterschluss der Gewerkschaftsspitze mit der SPD-Führung ist es sicher nicht verwunderlich, dass der „offizielle“ Erste Mai 2008 kein Renner und ganz sicher kein „Kampftag“ der Gewerkschaftsbewegung war. Schlecht, sozialpartnerschaftlich und erz-reformistisch waren die Reden auf den offiziellen Kundgebungen allerdings auch schon in den Jahren zuvor. Doch angesichts der markanten Zunahme an gewerkschaftlich geführten Streiks 2007 und seit Jahresbeginn wäre eigentlich eine deutliche Zunahme der Mobilisierung zu erwarten gewesen.

Gerade diese Streiks, diese Kämpfe spielten - zumal wo sie gegen SPD und die LINKE geführt wurden - bei den Demonstrationen und Reden keine Rolle. Mobilisiert werden über weite Strecken schon seit Jahren nur noch die Funktionäre, AktivistInnen und politisch organisierte Gewerkschaftsmitglieder. Die Masse der Gewerkschaftsmitglieder bleibt den mehr und mehr entpolitisierten Mai-Feiern des DGB seit Jahren mit steigender Tendenz fern. Sie kommt nicht einfach, weil es den Ersten Mai schon immer gab - und sie wird auch in den nächsten Jahren nicht kommen, wenn der DGB nur Grill- und Bierfeste organisiert. Das können andere allemal besser, außerdem müssen die ArbeiterInnen woanders sich nicht die drögen Reden von Beck und Sommer anhören.

Gerade die Allianz mit der SPD wollen die Spitzen der Einzelgewerkschaften wiederbeleben. Daher ist vom Kampf gegen die Zumutungen der Regierung wenig die Rede, stattdessen werden SPD und LINKE als Mindestlohnparteien hofiert. Vom Generalangriff des Kapitals, davon, wie den Auswirkungen der kommenden Rezession auf die Arbeiterklasse begegnet werden kann, ist nirgendwo die Rede!

Die DGB-Spitze und die Führungen der Einzelgewerkschaften wollen aber auch genau diese Erste Mai-Demos, sie wollen nicht noch mehr Streiks „führen müssen“, sondern die Kampagnen für die Bundestagswahlen vorbereiten und wieder als „Ordnungsfaktor“ wirken, dem ab und zu ein paar Zugeständnisse gemacht werden. Das spiegelt sich auch darin wider, dass die DGB-Demos trotz mehr und teilweise erfolgreichen Streiks wie bei der Bahn keinen Zulauf erhalten.

Zuwachs der radikalen und revolutionären Demos

Im scharfen Kontrast dazu steht das signifikante Anwachsen der klassenkämpferischen und revolutionären Demonstrationen am Ersten Mai. Selbst die eher lahmen May-Day-Paraden erhielten mehr Zulauf als im letzten Jahr. Bemerkenswert waren jedoch die revolutionären Demonstrationen in Nürnberg mit rund 5.000 TeilnehmerInnen, in Stuttgart mit 600 oder die antifaschistische Demonstration in Hamburg mit rund 10.000, die von der radikalen Linken getragen wurde, aber auch von sozialen Bewegungen und unzufriedenen DGB-Mitgliedern. Während Tausende Widerstand gegen die NPD-Schweine in Barmbek leisteten, kamen gerade Mal 1.500 - 2.000 zur DGB-Kundgebung in St. Pauli.

In Berlin beteiligten sich 10.000 bis 15.000 an der revolutionären Ersten Mai-Demonstration, der größten und kämpferischsten seit Jahren. Berlins Polizeipräsident Glietsch, der sich provokativ vor Ort „ein Bild von der Lage“ verschaffen wollte, musste vor wütenden DemonstrantInnen die Flucht ergreifen.

Auch wenn die politischen Schwächen nicht ignoriert werden dürfen, so war allein schon der zahlenmäßige Zuwachs ein politischer Erfolg für die OrganisatorInnen der Demonstration, zu der auch Arbeitermacht und REVOLUTION aufgerufen hatten.

Insgesamt verdeutlicht der größere Zulauf  zu den revolutionären Demos, dass es in der BRD ein wachsendes, subjektiv antikapitalistisch-revolutionäres Millieu gibt, das mehrere 10.000 Menschen umfasst, vor allem Jugendliche. Ideologisch ist es vor allem autonom geprägt, auch wenn sich eine größere Aufmerksamkeit gegenüber sozialen Fragen der Arbeiterklasse in diesem Milieu zeigt.

Arbeitermacht und REVOLUTION haben zu diesen Aktionen und Demonstrationen mobilisiert und sich beteiligt, wo GenossInnen präsent waren. In Berlin und Stuttgart stellten wir gemeinsame Kontingente. Ein Genosse von REVOLUTION sprach auch auf dem Wagen des Schülerbündnisses, das den Berliner Ersten Mai auch zur Mobilisierung für den geplanten Berliner Schulstreik am 22. Mai nutzte.

Eine Genossin sprach in Stuttgart über die strategischen Probleme und Aufgaben, vor denen die Arbeiterbewegung und RevolutionärInnen heute stehen. Wir dokumentieren ihre Rede im folgenden.

Bilanz

Den Zuwachs der revolutionären und klassenkämpferischen Demos bewerten wir insgesamt als großen politischen Erfolg. Er zeigt, dass und wo eine antikapitalistische Bewegung, die diese Namen verdient, in Deutschland existiert.

Dass die DGB-Demos weiter an Zulauf verlieren, geht auf das Konto der desaströsen Politik der Gewerkschaftsführungen. Trotz klar steigender Streikzahlen und Kampfbereitschaft der Klasse geht sie weiter nach rechts. Ihre Politik zielt vor allem darauf ab, der herrschenden Klasse und ihrer Regierung zu beweisen, dass sie weiter zur Kontrolle der Arbeiterklasse als Ordnungsfaktor und „Partner“ gebraucht wird, dass es Ausverkauf und „Modernisierung“ nur bei Einbeziehung der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie geben dürfe.

Freude über die sinkenden Teilnehmerzahlen bei den Gewerkschaftsdemos wäre jedoch fehl am Platz. Erstens freut es die Bürokratie ohnedies, wenn missliebige oder oppositionelle KollegInnen fernbleiben. Vor allem aber führt die Nichtteilnahme vieler ArbeiterInnen noch lange nicht dazu, dass die Macht der Gewerkschaftsbürokratie über die Klasse gebrochen oder auch nur ernsthaft angegriffen werden kann.

Bei aller Freude über den Erfolg der revolutionären und klassenkämpferischen Demos dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die radikale Linke in der BRD nach wie vor von den Kernschichten der Arbeiterklasse weitgehend isoliert ist, dass die Gewerkschaftslinke zahlenmäßig und politisch Schwach ist, kurz: dass die Klasse weiter unter Kontrolle der einer sozialdemokratisch geprägten Bürokratie steht (egal ob diese nun der SPD oder der LINKEN) nahe steht. Diese Vorherrschaft der Bürokratie zu brechen, ist und bleibt weiter die strategische Aufgabe von RevolutionärInnen in der BRD - denn ohne diese Vorherrschaft in den nächsten Klassenauseinandersetzungen zu brechen, wird die Klasse keinen erfolgreichen Widerstand leisten können, werden antikapitalistische und Arbeiterbewegung nicht zu einer wirklichen klassenkämpferischen Verbindung finden.

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