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Öffentlicher Dienst

Münchner Funktionärskonferenz legt Tarifforderungen fest

Helga Müller, Infomail 336, 13. Dezember 2007

Die Münchner Funktionärskonferenz legte Forderungen für Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 2008 fest: Massive Gehaltserhöhung, keine Arbeitszeitverlängerung, Abschaffung der leistungsbezogenen Bezahlung, Abschaffung der Niedriglohngruppe.

Am 20.11.2007 versammelten sich ca. 100 – 120 Personalräte und Vertrauensleute aus den verschiedenen Bereichen des Öffentlichen Dienstes in München zu einer Funktionärskonferenz zur Festlegung der Forderungen für die Gehaltstarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen im Jahr 2008. Der Andrang war groß, der Große Saal des örtlichen DGB war fast zu klein für die Delegierten.

Ziel dieser Konferenz war es, für den Bezirk München die Gehaltsforderungen festzulegen, die dann in die Bundestarifkommission eingebracht werden sollen, die die Forderungen zur Tarifrunde 2008, am 18./19. Dezember 2007 beschließen wird.

Forderungen des Arbeitgeberverbandes

Kurz vor Stattfinden der Funktionärskonferenz hatte der kommunale Arbeitgeberverband (KAV) seine Forderungen auf den Tisch gelegt, die unter dem Motto “Den Weg der Modernisierung weitergehen – für attraktive und sichere Arbeitsplätze” stehen. Seine Hauptforderungen in dieser Tarifrunde bestehen darin:

Die Entgelte dürfen nur maßvoll steigen. Begründet wird das damit: die “hohen Abschlüsse in der Privatwirtschaft können kein Maßstab sein”, da “die kommunalen Einrichtungen weit überwiegend unter strukturellen Defiziten [leiden], die nur beschränkte Spielräume für Einkommensverbesserungen eröffnen”, um ja bei den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes keine “falsche” Erwartungshaltung zu erzeugen, auch etwas vom konjunkturellen Aufschwung abzukriegen.

Die Arbeitszeit bei den Kommunen soll verlängert und vereinheitlicht werden, d.h. angeglichen an die Arbeitszeit bei den Ländern – wie in der Meistbegünstigungsklausel* unter Zustimmung von ver.di im TVöD festgelegt wurde -, die bei bis zu 40 Wochenstunden liegt.

Die Leistungsbezahlung soll ausgebaut werden. Bisher liegt der Leistungsbezug, der im Gehalt eingearbeitet ist “nur” bei einem Prozent. Für die KAV zu wenig, dieser soll auf acht Prozent erweitert werden.

Wie beim Streik der Lokführer wird hier nun auch noch die “Tarifeinheit” von Seiten des Arbeitgeberverbandes eingefordert, die gerade seit dem neuen TVöD, der im Einklang von ver.di, Bund und Kommunen im Jahr 2005 ausgehandelt wurde, schon lange nicht mehr existiert. Mit dem neuen TVöD wurde gerade der Flächtentarifvertrag in mehrere Spartentarifverträge zersplittert. Begründet wird das Ganze noch damit, dass “der soziale Friede in den Verwaltungen und Betrieben (...) nicht durch Tarifauseinandersetzungen der verschiedenen Beschäftigtengruppen um eigenständige Tarifregelungen gefährdet werden” darf. Das Deutsche Bahn AG-Personalvorstandsmitglied Suckale lässt grüßen!!

Als Höhepunkt wird von der KAV noch gefordert, dass das Ergebnis in Verhandlungen erreicht werden soll, da Streiks allen schaden würden. Ein Appell an die ver.di-Bundestarifkommission, doch wieder zu den für die Arbeitgeber “optimalen” Verhandlungsbedingungen der Jahre 2003/2005 zurückzukehren, als ver.di. ohne nur einmal zu Streiks aufzurufen, den neuen TVöD mit Bund (am Anfang noch die Bundesländer) und Kommunen ausgehandelt hatte.

Gegen diese erneuten Angriffe auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst haben die KollegInnen ihre Forderungen aufgestellt und damit deutlich gemacht, dass sie die Verschlechterungen, die einmal im TVöD mit Zustimmung von ver.di ausgehandelt wurden, nicht akzeptieren können und wollen.

Die Stimmung, über die die Delegierten aus 16 Bereichen des Öffentlichen Dienstes – angefangen bei den Städtischen Kliniken über den Flughafen, die Abfallwirtschaft, den städtischen Bibliotheken bis hin zur ver.di-Jugend – berichteten, war einhellig: Die Erwartungshaltung der Gewerkschaftsmitglieder und Beschäftigten für die kommende Gehaltstarifrunde ist hoch.

Hauptforderungen der Konferenz

Die Hauptforderungen, die auf Mitglieder-, Betriebsversammlungen, Vertrauensleutekörpern oder Befragungen unter den Beschäftigten festgelegt wurden, bestanden darin:

6 – 15 %  Gehaltserhöhung und/oder einen Festgeld betrag von mindestens 250 bis 450 Euro (damit die unteren Einkommen verhältnismäßig höher steigen als die oberen Einkommensbereiche). Keine Einmalzahlungen.

Abschaffung der Entgeltgruppe 1 – jener Niedriglohnsektor, den ver.di bei der “Reform” des BAT in den TVöD neu eingeführt hatte, um die Auslagerung von bestimmten Dienstleistungen an private Anbieter zu verhindern!

Keine Verlängerung der Arbeitszeit, die 38,5 Wochenstunden sollen unangetastet bleiben – nach einer kleineren Diskussion wurde sich darauf geeinigt, die 35-Stundenwoche zu fordern, um zumindest die 38,5 Wochenstunde halten zu können.

Das leistungsbezogene Gehalt (§ 18 des TVöD) soll ganz abgeschafft werden, der bei den Verhandlungen zum TVöD neu eingeführt wurde.

Aus den kampfstarken Bereichen Ver-/Entsorgung und Abfallwirtschaft wurde berichtet, dass die KollegenInnen äußerst sauer und kurz davor sind, ihre Gewerkschaftsbücher hinzuschmeißen, wenn es keine substantiellen Verbesserungen gibt. Gerade die KollegenInnen in den unteren Lohngruppen können von ihren Gehältern kaum noch leben und müssen schon Nebenjobs annehmen, um ihre Existenz sichern zu können.

Ein Kollege aus der Abfallwirtschaft machte deutlich, dass beim privaten Konkurrenzunternehmen Remondis mittlerweile mehr verdient wird, als im Öffentlichen Dienst und die Folge davon ist, dass die KollegInnen in die Privatwirtschaft abwandern. Die Einführung der oben erwähnten Niedriglohngruppe (Entgeltgruppe 1) hat also -  wie von den KritikerInnen einst befürchtet - einen Abwärtstrend der Gehälter im Öffentlichen Dienst gebracht, sonst gar nichts!

Die Gewerkschaftssekretäre waren sichtlich erstaunt über die klaren und weitgehend übereinstimmenden Forderungen aus zahlreichen Bereichen und über die kämpferische Stimmung.

Heiner Birner, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks München, nahm die Forderungen zwar noch positiv auf

und fasste diese im Sinne der Delegierten zusammen, aber bereits mit dem Hinweis, dass dies nur ein Stimmungsbild des Bezirks München sei und es in der Hand der ver.di-Bundestarifkommission liege, die endgültigen Forderungen festzulegen.

D.h. bei ihm gab es schon den zaghaften Versuch, zwar die Forderungen positiv aufzunehmen, aber gleichzeitig den Delegierten, die demokratische Festlegung der Forderungen aus der Hand zu nehmen und sie in die Hände der Bundestarifkommission zu legen. Das konnte von den Delegierten noch einmal eine Stück weit durchbrochen werden, indem ein Kollege vom Flughafen, der gleichzeitig Mitglied der ver.di-Bundestarifkommission ist, feststellte, dass er die Forderungen dort auch ohne Wenn und Aber einbringen wird.

Die kämpferische Stimmung der Delegierten wurde erst dann gedämpft, als Norbert Flach, der Tarifkoordinator für Bayern, ans Mikrofon ging und argumentierte, doch den Arbeitgebern nicht auf den Leim zu gehen, die Forderungen auf reine Gehaltsforderungen reduzieren wollten. Seine Argumentation bestand darin, dass es sich diesmal um eine reine Gehaltstarifrunde handle, der KAV selbst hätte eine Vermischung von Forderungen zum Gehalts- und Manteltarifvertrag (Arbeitszeitverlängerung, leistungsbezogenes Gehalt) vorgenommen, das dürfte ver.di nicht mitmachen. Man müsse sich auf reine Gehaltsforderungen beschränken, ansonsten würde man nichts durchkriegen und für die anderen Forderungen hätte man noch Zeit, da der Manteltarifvertrag noch nicht ausgelaufen sei!

Dahinter steckt die Illusion, man könne die öffentlichen Arbeitgeber argumentativ davon überzeugen, die anderen Forderungen wie Arbeitszeitverlängerung doch jetzt erstmal fallen zu lassen, da dies nichts mit dem Gehalt zu tun habe und dass auch die Beschäftigen des Öffentlichen Dienstes das Recht hätten, vom konjunkturellen Aufschwung zu profitieren.

Die öffentlichen Arbeitgeber werden sich aber an diese Beschwichtigungstaktik nicht halten – wie sie es schon nicht in den Verhandlungen zum TVöD getan hatten. Sie haben ihre Forderungen klar dargelegt: Sie wollen die Arbeitszeitverlängerung, um keine neue MitarbeiterInnen einstellen zu müssen und letztendlich Personal abbauen zu können. Sie wollen einen immer größeren Anteil des Gehalts leistungsbezogen auszahlen, um Kosten zu sparen, die Sanierungspolitik der Haushalte fortführen zu können und um die Bedingungen zu schaffen, noch mehr Bereiche der öffentlichen Versorgung zu privatisieren und den Profitinteressen von Privatinvestoren auszuliefern.

Die KollegInnen liegen richtig, wenn sie gegen die Forderungen der Arbeitgeberseite ihre Forderungen nach Gehaltserhöhung, Arbeitszeitverkürzung, Abschaffung des leistungsbezogenen Gehalts und der Niedriglohngruppe aufrechterhalten. Nur so können sie den Forderungen des Arbeitgeberverbandes, die Spirale noch weiter nach unten zu drehen, klare Forderungen entgegenstellen; nur so können sie letztendlich die Öffentlichkeit von ihren berechtigten Anliegen überzeugen.

Vorbereitung der Tarifrunde

Es wird Anfang Januar noch mehrere Veranstaltungen zur Vorbereitung der Tarifrunde geben. Dort werden die KollegInnen ihre Forderungen, falls die Bundestarifkommission tatsächlich die Tarifrunde auf reine Gehaltsforderungen beschränken wird, einbringen. Die falsche Taktik der ver.di-Führung gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern muss klar benannt und versucht werden, den Kampf unter ihre direkte Kontrolle zu bekommen.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Führung nicht in der Lage und nicht willens ist, die Angriffe mit ständigen Verschlechterungen, die die Beschäftigten in den letzten Jahren hinnehmen mussten, in einem koordinierten Kampf zurückzuschlagen.

Notwendig ist es in den Betrieben, in den Dienststellen in den Verwaltungen mit den KollegInnen, die Forderungen der Bundestarifkommission zu diskutieren und einer Kritik zu unterwerfen und eigene Forderungen dem entgegenzustellen. In den einzelnen Betrieben, Dienststellen und Verwaltungen müssen Streikkomitees der Gewerkschaftsmitglieder und aller Beschäftigten organisiert werden, die die Streikleitung wählen und die Taktik im Kampf um die Forderungen diskutieren und beschließen. Diese müssen während des Streiks in Streikversammlungen vor Ort zusammengefasst werden, die lokal den Kampf führen. Daraus müssen Delegierte für eine bundesweite Streikleitung gewählt werden, die den Streik führen und gegenüber den Mitgliedern und Beschäftigten rechenschaftspflichtig sind. Nur so können die Gewerkschaftsmitglieder und Beschäftigen den Kampf unter ihre Kontrolle bekommen und die falschen Taktiken der bisherigen Führung durchbrechen.

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