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Frankreich

Gewerkschaftsführer verraten Kampf gegen Sarkozy

Marc Lassalle, Infomail 335, 5. Dezember 2007

Präsident Sarkozys Attacken riefen im November heftige Gegenwehr seitens der Gewerkschaften und Jugendlichen hervor. Die Welle der neoliberalen Angriffe dieses reaktionären selbsternannten französischen Thatchers hat Massenwiderstand provoziert. Bisher aber fehlen diesem Widerstand zwei entscheidende Elemente zum Sieg: eine auf fester Grundlage organisierte Einheit im Kampf und eine klare und entschlossene Führung.

Die Hauptauseinandersetzung entzündete sich an Sarkozys Entschluss, die Pensionsansprüche der Eisenbahn- und  MetroarbeiterInnen und der Elektriker zu streichen, die „Staatssonderbezüge“. Die einfachen ArbeiterInnen waren auf einen langen und erbitterten Kampf eingestellt und hatten sich auf die Forderung nach Ablehnung der Pensionsreform geeinigt. Die FührerInnen der großen Gewerkschaftsverbände sahen die Dinge allerdings völlig anders.

Rolle der Gewerkschaften

Alle, außer der kleineren SUD-Gewerkschaft, sind überzeugt, dass Sarkozys Reform unvermeidbar ist und dass ihre Rolle nicht darin besteht, den Widerstand gegen die neoliberalen Angriffe zu organisieren, sondern sie durch das Aushandeln von läppischen Zugeständnissen für ihre Mitglieder zu begleiten.

Die Confederation Generale du Travail (CGT) ist die zweitgrößte Gewerkschaft und die stärkste im militanten Eisenbahnwesen, der Pariser Metro, der Vorortbahn RER und der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF. Die CGT genießt den Ruf, die kämpferischste der großen Gewerkschaften zu sein.

Doch unter der Führung von Bernard Thibault hat sie sich nach rechts bewegt, jedoch nicht ohne innere Widerstände. Seit Sarkozys Amtsantritt antichambrierte Thibault schon mehrmals im Elysee-Palast und führte dort freundschaftliche Gespräche. Die CGT ist überdies voll an den Verhandlungen beteiligt, die ein neues Arbeitsgesetz auf den Weg bringen sollen, das die Rechte von ArbeiterInnen beträchtlich schmälern würde.

Die Haltung der CGT-Führer ist alles andere als kämpferisch. Das zeigt sich auch in einem Artikel aus Le Monde vom 26.11.2007:

„Nicolas Sarkozy unterhält gute Beziehungen zu Frederick Imbrecht, dem Generalsekretär der CGT, Abteilung Energiewirtschaft, mit dem er freundschaftlich verkehrt und den er regelmäßig lobend hervorhebt.“

Wie gelang es der Gewerkschaftsspitze, den Streik abzubiegen - trotz der wachsenden Entschlossenheit und Kampfkraft der Mitgliedschaft?

Zunächst einmal dadurch, dass sie die nicht die gesamte Arbeiterschaft im Kampf gegen Sarkozys Angriffe vereinte, sondern sie getrennt und isoliert hielt. Nach einem erfolgreichen Streik- und Aktionstag am 18.10. verlängerten die Eisenbahner diesen um mehrere Tage. Aber die Führer schickten sie zurück an die Arbeit mit dem Argument, dass sie ‚Kräfte sammeln sollten’ für einen Streik und massenhaften Aktionstag im nächsten Monat.

Doch dann taten die Verbände wieder einmal alles, um die Kräfte zu spalten. Die EisenbahnerInnen und Metro-ArbeiterInnen ging am 14.11. in den Streik, der Rest des öffentlichen Dienstes jedoch erst am 20.11. Die Führung hoffte natürlich, dass der Eisenbahnstreik zwischendurch abebben würde und damit ein gemeinsames Handeln zwischen verschiedenen Bereichen unmöglich machen sollte.

Doch die EisenbahnerInnen stimmten auf ihren täglichen Massenversammlungen (Assemblees generales) für die Verlängerung ihrer Streiks. StudentInnen und OberschülerInnen besetzten Gebäude und streikten aus Protest gegen das Precresse-Gesetz, eine neoliberale Bildungsreform.

Darum marschierten am 20.11., dem Aktionstag des öffentlichen Dienstes, v. a. aus Bildung, Post und Telekommunikation, die drei Hauptbereiche zusammen. Der Marsch wurde gebildet aus Metro- und EisenbahnarbeiterInnen, Post-, Gas- und ElektrikerInnen sowie LehramtsstudentInnen. Die Demonstration war ein großer Erfolg, 700.000 waren landesweit auf den Straßen, davon 80.000 in Paris. Aber den CGT-OrdnerInnen gelang es, Jugend und Arbeiterschaft strikt getrennt zu halten. Die Führer wandten sich rigide gegen jede Politisierung oder Radikalisierung des Streiks und wünschten keine Neuauflage des Erfolgs wie beim Anti-CPE Protest 2006.

Thibaults Rettung

Schon vor Streikausbruch hatten die Chefs erkennen gegeben, dass sie vor Sarkozy kuschen wollten. Am Vorabend des Streiks ließ Thibault durchblicken, dass er mit Einzelverhandlungen Branche für Branche einverstanden wäre, womit natürlich die Einheitsfront gegen die Reformen empfindlich aufgeweicht werden würde. Anscheinend fand hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung zwischen Didier LeReste, dem Führer der CGT-Eisenbahner (Cheminots) und dem Generalsekretär Thibault statt. LeReste stand unter größerem Druck seiner militanten Mitglieder ebenso wie die kleinere und radikalere SUD.

2005 scheiterte Thibault dabei, den Verband von einem Protest gegen die neoliberale EU-Verfassung abzuhalten. Diesmal hat sich Thibault durchgesetzt und stand am 13.11. an der Spitze einer CGT-Delegation beim Arbeitsminister Xavier Bertrand.

Thibaults Friedensangebot wurde von den EisenbahnerInnen sofort richtig als Verrat erkannt. Ihr Zorn und ihre Gefühle waren deutlich auf den Demonstrationen zu spüren. Nicht nur der rechte CFDT-Führer Francois Chereque wurde von den aufgebrachten ArbeiterInnen aus der Pariser Demo gejagt, auch Thibault musste ein gellendes Pfeifkonzert über sich ergehen lassen, als er auf einer Versammlung der SNCF-ArbeiterInnen sprach. DemonstrantInnen skandierten verächtlich „Sarkozy – Thibault – derselbe Kampf.“

Sarkozy verstand sofort, dass er etwas tun musste, um seinen wertvollsten Kettenhund in den Reihen der Arbeiterschaft zu retten. Dies tat er durch ein Angebot von offenen Verhandlungen mit den Gewerkschaften. Alle Verbände fielen darauf herein - bis auf SUD. Doch auch diese gab bald ihre ablehnende Haltung auf.

Diese Gespräche werden einen Monat dauern und erst kurz vor Weihnachten enden. Damit wird jeder Versuch unterbunden, den Kampf wieder aufleben zu lassen und sich mit den StudentInnen, LehrerInnen, Post- und TelekommunikationsarbeiterInnen zu verbünden.

So wurden durch den offenkundigen Verrat ihrer Führer und ohne gebündelte Maßnahmen dagegen die Eisenbahner demoralisiert. An den folgenden Tagen stimmten unter dem verdeckten, aber starken Druck der CGT-Bürokratie die isolierten örtlichen Arbeiterversammlungen für die ‚Aussetzung’ des Streiks.

Die Gewerkschaftsführer beweihräucherten natürlich die Eröffnung von Verhandlungen als großen Erfolg. Mittlerweile bejubelte nicht nur die französische rechte Presse, sondern die bürgerlichen Medien der ganzen Welt Sarkozys Sieg, als wäre es ihr eigener.

Obwohl natürlich kein Abkommen über die Rücknahme des Wegfalls der Pensionsrechte unterzeichnet worden ist, ist das Potenzial eines vereinten Kampfes, der vorwärts marschiert und an Stärke gewinnt, zunächst vertan. Im Oktober und November bot sich die Gelegenheit, die Pensionsreform nieder zu zwingen, wie 1995 und dann 2006 im Fall des Ersteinstellungsvertrages (CPE). Ein politischer Massenkampf, der in einem Generalstreik mündet, wäre durchaus machbar gewesen. Aber die Gewerkschaftschefs waren daran nicht interessiert. Im Gegenteil, sie fürchteten seine Dynamik wie eine Seuche und taten alles, um einen unkontrollierten Ausbruch zu verhindern.

Eine revolutionäre Partei

War ein Generalstreik gegen Sarkozy trotzdem möglich? Ja sicher! Das fehlende Bindeglied, um diese Politik konsequent ins Werk zu setzen, war eine politische Kraft, eine revolutionäre Partei mit echter Verankerung in der Arbeiterklasse. Die Ligue Communiste Revolutionaire (LCR), die für sich beansprucht, 100% links und auf Massenbewegungen und Sozialkämpfe orientiert zu sein, begnügte sich mit der Feststellung „die Cheminots sind nicht besiegt, der Kampf geht weiter“. Kein deutliches Wort jedoch gegen den Verrat der CGT- und der anderen Gewerkschaftsbürokraten.

Eine korrekte Politik hätte die Selbstorganisation der Arbeiter über die Assemblees generales hinaus auf die Ebene von Streikausschüssen regional und landesweit gefordert und gefördert. Diese hätten der Gewerkschaftsbürokratie die Kontrolle über die Bewegung entwinden können. Die Basisorgane der ArbeiterInnen hätten das Kommando übernehmen müssen, nicht bloß, um über Ausweitung und Zielsetzung des Streiks zu entscheiden, sondern auch über Zeitpunkt und Art von Verhandlungen.

Vor allem hätte eine solche Partei die politische, klassenweite Natur des Kampfes gegen Sarkozy hervorgehoben und damit die Notwendigkeit, das gesamte arbeiterfeindliche Programm zu zerschmettern, die Regierung zu stürzen und den Weg zur Machtübernahme der Arbeiterklasse zu beschreiten.

Die Durchsetzung der Pensionsreform ist unbestritten ein wichtiger Sieg für Sarkozy. Dennoch hat die französische Arbeiterklasse damit noch keine strategische Niederlage erlitten. Es ist nur die erste Etappe in einer langen Reihe von Schlachten um die neoliberale Agenda. Das wahre Antlitz hinter Sarkozys Politik ist nun deutlich sichtbar, der Verrat der Gewerkschaftsbürokratie hat ihren Charakter als Hindernis für den Sieg der ArbeiterInnen in diesen Auseinandersetzungen enthüllt.

Die Eisenbahner haben gezeigt, dass Widerstand möglich ist; um ihn aber erfolgreich zu führen, müssen die ArbeiterInnen ihn demokratisch von unten her organisieren. Die Arbeitervorhut muss eine revolutionäre Partei aufbauen, um jedem weiteren Verrat den Boden entziehen und die Arbeiter zum Sieg führen zu können.

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