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Ver.di und der Klimaschutz

Wessen Brot ich eß, dessen Lied ich sing

Infomail 296, 6. Februar 2007

Beim aktuellen Feldzug der Gewerkschaften gegen die Verschärfung des Klimaschutzes muss man sich fragen, ob der letzte Sommer, welcher der heißeste seit Aufzeichnung des Wetters war, für einige Gewerkschafter nicht doch zu heiß war?

Mitten im Klimawandel - den letzten Orkan „Kyrill“ mit einer Milliarde Euro Schäden kaum verdaut - meinen ver.di-Chef Bsirske und Co., allzu starker Klimaschutz würde Arbeitsplätze kosten. Neben dem Prädikat der Gewerkschaftsbürokraten haben sie sich nun ein zweites verdient: das der Lobbyisten! Ver.di mobilisiert die Beschäftigten der Energiewirtschaft für eine Demo am 7. Februar in Berlin gegen die Zerschlagung der Stadtwerke, gegen die Liberalisierung des Strommarktes - aber eben auch gegen den Klimaschutz.

Der deutschen Wirtschaft würden „unfaire Auflagen beim Emissionshandel“ auferlegt. Hintergrund des Jammerns der Energiewirtschaft ist die geringere Zuteilung von Emissionszertifikaten seitens der EU über 453 Millionen Tonnen. Die deutsche Energiewirtschaft liegt aber mit durchschnittlichen 477 Millionen Tonnen Jahres-Ausstoß an CO² darüber und wäre somit gezwungen, den Ausstoß zu verringern oder Zertifikate teuer zuzukaufen. Diese Reduzierung des klimaschädlichen CO² findet Bsirske nun „unfair“.

Wie soll er auch anders empfinden, wenn er selbst im RWE-Aufsichtsrat sitzt? Da versteht dann auch Jeder, wenn einerseits Konzerne wie RWE oder Vattenfall als Betreiber der größten CO²-Schleudern Europas in Form von Braunkohlenkraftwerken und andererseits die Gewerkschafts-Spitzen plötzlich gemeinsam ihr Herz für die „Arbeitnehmer“ entdeckt haben.

Doch die Arbeitsplatzkeule ist in diesem Fall ein demagogischer Trick der Unternehmer, um den Beschäftigten Furcht einjagen. Den gegenwärtig ca. 100.000 Beschäftigten im Braun- u. Steinkohlebergbau, in der Atomenergiewirtschaft sowie Erdgas- und Erdölwirtschaft stehen heute schon 170.000 ArbeiterInnen im erneuerbaren Energiesektor bei einem Gesamtanteil von bisher nur 10% an der Gesamtstromproduktion gegenüber. Nicht auszumalen, welches Potential an Arbeitsplätzen in diesem Bereich steckt, wenn er noch stärker wachsen würde.

Statt sich für Braun- und Steinkohle stark zu machen, müsste eine Gewerkschaft, die die Interessen aller Lohnabhängigen und eine gesellschaftliche Zukunftsperspektive im Auge hat, für einen geplanten Umstieg auf erneuerbare Energieträger und, wo dies (noch) nicht möglich ist, für die größtmögliche Reduktion der Schadstoffemissionen unter Kontrolle der ArbeiterInnen und KonsumentInnen eintreten. Für die ArbeiterInnen aus den bestehenden Kraftwerken müsste sie für die Weiterbeschäftigung in Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie zu gleichen oder besseren Lohn- und Arbeitsbedingungen eintreten.

Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen fürchten die tradierten Produzenten einen Verdrängungswettbewerb zu Ungunsten fossiler Energieträger. Dabei wollen sich die Großkonzerne natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und bei jeder Gelegenheit ihre Monopolstellung am Strommarkt verteidigen bzw. die neoliberalen Privatisierungseinschnitte nutzen, um ihre Marktanteile weltweit auszubauen. Somit wird es kaum nennenswerte Steigerung der Anteile erneuerbarer Energien am Strommarkt geben.

Folglich konnte sich von den Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien noch keines zu ähnlich großen Konzernen aufschwingen - mit einer nur annähernd starken Korrumpiermacht, die lukrative Posten für Politiker und Gewerkschaftsbürokraten verspricht; sonst würde eine Bsirske heute wahrscheinlich auf der anderen Seite der Barrikade tanzen.

Doch die Gewerkschaftsbürokratie zeigt mit ihrem Verhalten erneut, dass ihr die Konkurrenzfähigkeit „ihrer“ Konzerne allemal wichtiger ist als alles andere. Anstatt scheinheilig Arbeitsplätze in den Energie-Riesen zu „verteidigen“, müssten die Gewerkschaften für deren Verstaatlichung eintreten und für öffentliche Beschäftigungsprogramme unter Kontrolle der Beschäftigen kämpfen - auch und gerade im Bereich des Umweltschutzes.

So plärrt sein gekauftes Gewissen gemeinschaftlich mit den Großkonzernen und seinen Bürokraten-Kollegen von den Industriegewerkschaften Bauen Agrar Umwelt, Metall und Bergbau Chemie Energie im Dezember in einem Brief unserer Autokanzlerin vor, dass „eine funktionsfähige und zukunftsorientierte Energieversorgung eine unverzichtbare Grundlage für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung ist.“ Und natürlich könne ohne die großen Emittenten wie die USA und China unter Rücksichtnahme des Standorts Deutschland „Kyoto nach 2012 nicht einfach fortgesetzt werden.“

Natürlich forderten sie auch den Bau neuer Kohlekraftwerke. Auch RWE will in naher Zukunft eines bauen. Dieses neue Braunkohlekraftwerk würde pro Jahr 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich in die Luft schleudern. Bei einem Kraftwerk der Größenordnung Neurath dürften für diese CO²-Emissionszertifikate Kosten in Höhe von rund 280 Millionen Euro pro Jahr auf RWE zukommen. Klar, dass sie die Schmälerung ihrer Profite auf Kosten der Gesellschaft nicht zulassen wollen.

Tja, Betriebswirtschaft hat im Kapitalismus eben Vorfahrt vor Volkswirtschaft. In Anbetracht der nur für Deutschland prognostizierten Klimaschäden bis 2050 von 650 Milliarden Euro zeigt das Beispiel Energiepolitik und Klimaschutz einmal mehr ganz deutlich, wie überlebenswichtig die Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist.

Nur dann, wenn Privateigentum und Konkurrenz aufgehoben sind, kann die Gesellschaft eine demokratisch regulierte Planwirtschaft in Gang setzen, die existenzielle Bedürfnisse wie den Klimaschutz ins Zentrum der Ökonomie stellt. Dann könnten auch die bereits jetzt vorhandenen wissenschaftlich-technischen Errungenschaften der Menschheit global eingesetzt werden. Der Einsatz energiesparender Techniken, eine wesentlich rationellere Verkehrspolitik u.a. wesentliche Methoden des Umwelt- und Klimaschutzes wären dann nicht nur in Sonntagsreden von Politikern und nie umgesetzten Absichtserklärungen der Konzerne enthalten - sie wären dann Realität.

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