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Dänemark:

ArbeiterInnen und Jugendliche gegen Kürzungen

von Arbetarmakt, schwedische Sektion der L5I, Infomail 286, 14. November 2006

Die dänische Arbeiterklasse hat begonnen, ernsthaften Widerstand gegen die von der neuen konservativen Regierung vorgeschlagene Kürzungspolitik zu leisten. Auch die schwedischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die erstmals seit 12 Jahren die Rückkehr einer offen bürgerlichen Regierung erleben, haben viel von ihren dänischen Schwestern und Brüdern zu lernen. Die Massendemonstrationen in 10 dänischen Städten am 3. Oktober, dem Eröffnungstag des dänischen Parlaments, waren eine erste Machtdemonstration.

Der Premierminister der bürgerlichen Regierung, Anders Fogh Rasmussen, hatte nur einen Tag zuvor bei einer Radioausstrahlung die Bewegung "einen Haufen sozialistischer Störenfriede" genannt. Am 3. Oktober war er still. Diese Bewegung ist die größte seit dem Oster-Streik 1985. Allein in Århus, Dänemarks zweitgrößter Stadt, beteiligten sich 30.000 ArbeiterInnen und Jugendliche an den Protesten. Zur selben Zeit streikten Kita-Beschäftigte die dritte Woche, wobei sie von 600 SozialarbeiterInnen unterstützt werden. StudentInnen haben viele Schulen in der Stadt besetzt, nachdem dies auf Massenversammlungen beschlossen worden war. Bei diesen Versammlungen wurden Komitees gewählt, um Blockaden sowie die Produktion von Transparenten für Demonstrationen etc. zu organisieren.

In Kopenhagen wurden am Tag der Demonstration 15 höhere Schulen besetzt. Führende AktivistInnen der StudentInnen sprachen offen darüber, von der französischen Studentenbewegung, die das CPE-Gesetz gestoppt hatte, inspiriert worden zu sein. 25 verschiedene Eltern-Netzwerke organisierten Blockaden von Kindergärten, in Solidarität mit den streikenden KindergärtnerInnen. In Schweden berichtete die Zeitung 'Sydsvenskan', dass sogar dänische Politiker an diesem Tag das Parlament verließen und auf die Straße gingen.

Neoliberales Kürzungsprogramm

Die Hintergründe dieser Bewegung reichen bis zum 17. März dieses Jahres zurück. An diesem Tag fand eine landesweite Demonstration gegen Kürzungen im Pensionssystem und die Angriffe auf die arbeitslose Jugend statt. Dieser Protest zwang die Regierung, einen Schritt zurück zu machen und ihre Vorschläge abzuändern. Beschämenderweise versuchten die dänischen Sozialdemokraten, diese „ehrenvolle“ Aufgabe zu übernehmen. Seitdem beteiligten sie sich an Verhandlungen mit den bürgerlichen Parteien, um einen Deal zu erreichen, der nur das Ausmaß der Angriffe regeln, sie aber nicht stoppen sollte.

Nicht ganz unerwartet kam eine neue kalte Dusche mit dem von der Regierung neu vorgeschlagenen Budget zu Beginn dieses Herbstes. Das Budget kürzt wirtschaftliche Unterstützung für die einzelnen Stadtverwaltungen radikal. Durch diese Kürzungen sollen viele Milliarden gespart werden.

Laut einer Umfrag der Sozialistischen Volkspartei bedeutet das Budget allein im Jahr 2007 Kürzungen um die 4 Milliarden Kronen, und selbst das ist möglicherweise eine Untertreibung. Mindestens 15.000 Jobs sind dadurch gefährdet und die Stadtverwaltungen werden gezwungen sein, massive Kürzungen im Kindergartenangebot, in der Ausbildung und in vielen anderen Sozialdiensten durchzuführen. Allein in Århus wird erwartet, dass bis 2010 jedes Jahr Kürzungen in Höhe von ca. 410 Millionen Kronen vorgenommen werden.

Die gegenwärtige Offensive ist Teil des neoliberalen Programms, welches die Regierung umzusetzen versucht. Abgesehen von den vorgeschlagenen Kürzungen will die Regierung die Menschen zwingen, länger zu arbeiten. Ein anderer reaktionärer Teil der Offensive ist das rassistische Vorgehen gegen ImmigrantInnen und Flüchtlinge. Dieser Angriff beinhaltet Maßnahmen, welche die Möglichkeit für Flüchtlinge untergraben, ein dauerhaftes Bleiberecht zu bekommen sowie am Sozialsystem teilzunehmen. Weiter werden dadurch gleiche Ausbildungschancen für Migrantenkinder verhindert (u.a. durch Angriffe auf die zweisprachige Ausbildung). All dies ist Teil der Politik, wie sie von der rassistischen Dänischen Volkspartei betrieben wird.

Massenproteste

Im Herbst antwortete die dänische Arbeiterklasse mit der Fortsetzung ihrer Proteste. Lokale Streiks und Demonstrationen waren eine übliche Erscheinung. In Århus gingen am 12. September 12.000 ArbeiterInnen und Jugendliche auf die Straße, um gegen die Kürzungen zu protestieren. Am 20. September nahmen 7.000 Jugendliche an einer Demonstration gegen die Schließung des "Hauses", einem Kulturzentrum, teil. Auch lokale Gewerkschaftsverbände sowie Gewerkschaften wie die „Dänische Gewerkschaft der Gemeindebediensteten“ und die „Nationale Organisation der Sozialpädagogen“ unterstützten die Demonstrationen.

Als Antwort darauf behauptete Anders Fogh Rasmussen in einer himmelschreienden Lüge, dass “die Stadtverwaltungen mehr Geld bekommen haben als jemals davor”. Die Kürzungen sind eine Fortsetzung der neoliberalen Politik, welche fortwährend die kommunalen Ausgaben limitiert, bis die Ressourcen nicht mehr die sozialen Bedürfnisse abdecken. Das Budget der Kommunen hatte seit 2003 nur ein Wachstum von 0,6%. Der steigende Bedarf im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und bei anderen Sozialdiensten benötigt aber zumindest ein Wachstum von 3%. Die Staatskasse Dänemarks war mit einem Plus von 80 Mrd. Kronen nie voller. Fogh Rasmussen ist es aber wichtiger, die Staatsfinanzen für die dänische Teilnahme am blutigen imperialistischen Besatzungsprojekt des Iraks zu verwenden, als die Bedürfnisse der ArbeiterInnen zu decken.

Die Demonstrationen brachten sofort Wirkung. In Ålborg „fanden“ die bürgerlichen Politiker plötzlich einige zusätzlichen Millionen für Investitionen im Sozialbereich. Trotzdem beschloss die Stadtverwaltung von Århus am 5.10. die vorgeschlagenen Kürzungen weiter umzusetzen. Die bürgerliche Regierung will zeigen, dass sie machen können, was sie wollen - ungeachtet der Kritik und der Aktionen der ArbeiterInnen und Jugendlichen.

Wie weiter?

Was die Antwort der Bewegung sein wird, ist noch abzuwarten. Karsten Ditlevsen von der Einheitsliste - eine reformistische Wahlplattform, die sich aus verschiedenen linken Gruppen zusammensetzt - rief zu einer landesweiten Konferenz der Bewegung auf, um zu diskutieren, wie der Kampf fortgeführt werden soll. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn kein Termin dafür festgelegt wurde. Das Ergebnis einer solchen Konferenz hängt davon ab, auf welche Vorschläge sich die verschiedenen Gruppen einigen. Der Wille der Massen zu kämpfen wurde klar auf der Straße bewiesen. Dieses Potential muss genutzt werden, um einen endgültigen Schlag gegen die Regierung zu führen. Angesichts der Gefahr eines Generalstreiks kam es in Frankreich im April dazu, dass Chirac und Villepin vom CPE zurücktraten. Dieses Beispiel sollte auch in Dänemark Schule machen!

Die dänische Bewegung braucht jedoch auch eine langfristige Perspektive! Ziel muss sein, das Rückgrat der bürgerlichen Regierung zu brechen und sie zum Rücktritt zu zwingen! Damit einhergehend wird die Frage, welche Art Regierung die Bewegung stattdessen will, zentral. Deswegen sollte die Aktionskonferenz damit beginnen, zu diskutieren, welche politische Alternative die Bewegung braucht. Die einzige fortschrittliche Orientierung kann dabei die einer neuen Arbeiterpartei und einer Arbeiterregierung sein. Aber auch eine solche Regierung, die sich auf Kampforgane der Klasse stützt, wird darin scheitern, die ArbeiterInnen zu repräsentieren, wenn sie nicht mit dem Kapitalismus insgesamt bricht. Es wäre aber fatal, wenn die ArbeiterInnen ihre Hoffnungen in die Führung der Sozialdemokratie setzen würden. Diese haben wiederholt, zuletzt bei den Verhandlungen im Mai, ihren Willen zu Kompromissen mit den Angriffen des Bürgertums bewiesen. Auch die Sozialistische Volkspartei, welche einen Kompromiss mit den Sozialdemokraten anstrebt, wird die Bewegung nur in eine Niederlage führen.

Soll eine Regierung wirklich in der Lage sein, die Wurzeln von Sozialabbau und Neoliberalismus auszureißen, so muss diese Arbeiterregierung sowohl die Diktatur des Marktes und das Privateigentum als auch deren Staat vernichten - um sie durch eine sozialistischen Planung und einen Rätestaat zu ersetzen. Eine derartige revolutionäre Arbeiterregierung könnte dann vorwärts schreiten und eine ausschlaggebende Rolle darin spielen, den dänischen Klassenkampf mit jenem anderer Länder zu verbinden.

Abgesehen von all den fortschrittlichen Maßnahmen, welche eine solche Regierung durchführen könnte um die Positionen der Arbeiterklasse zu unterstützen, könnte sie unverzüglich die Beteiligung Dänemarks an der Besatzung des Irak und die Unterstützung für das imperialistische Projekt um die Macht im Nahen Osten beenden. Sie könnte alle rassistischen Gesetze verwerfen und zugleich Pia Kjaersgaards reaktionärer Dänischer Volkspartei endlich den Garaus machen.

Für eine solche Regierung sollten RevolutionärInnen, die diesen Namen verdienen, kämpfen! Um das zu erreichen, muss eine neue revolutionäre Partei der Arbeiterklasse aufgebaut werden, die auf den Massenorganisationen und den sozialen Bewegungen, welche sich gegen die Regierung erhoben, basiert und die Vorhut dieser Bewegung organisiert.

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