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BSH-Protestaktion vor dem Roten Rathaus

Von der Kundgebung zum Moratorium – und dann?

Infomail 273, 1. September 2006

300 Kollegen und Kolleginnen aus dem Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH)  demonstrierten am 30. August mit einem Autokorso gegen die geplante Schließung des Werkes. Hinzu kamen eine Reihe von UnterstützerInnen aus anderen Betrieben, der Berliner WASG und anderen linken Organisationen.

Das BSH-Solidaritätskomitee verteilte ein Flugblatt, das zum Kampf gegen die Schließung, für den Erhalt aller Arbeitsplätze und zur Besetzung des Werkes aufrief.

Die Botschaft

IG Metall und Betriebsrat wollen die Produktion am Standort zwar erhalten. Doch trotz großer Konzessionsbereitschaft der Gewerkschaft konnte auf dem Verhandlungswege bisher keine „Lösung“ erzielt werden.

Dabei wäre eine Demonstration eigentlich einer guter Ausgangspunkt, die politische Gangart gegen den Konzern zu verschärfen, auf einen Arbeitskampf einzustimmen und den Kampf um die Unterstützung der Bevölkerung offensiv auszunehmen.

Die IG Metall hat sich jedoch mit dem Arbeitgeberverband auf ein zweiwöchiges „Moratorium“ geeinigt. BSH setzt bis Mitte September das Verfahren zur Schließung des Werkes aus – die IG Metall verzichtet im Gegenzug auf Kampfmaßnahmen.

Als Redner traten die IG-Metallredner Bezirksleiter Olivier Hövel, der Berliner 1. Bevollmächtigte Arno Hager, Betriebsratsvorsitzender Güngör Demirci sowie Berlins Bürgermeister Wowereit auf.

Die zentrale Rede hielt Hövel. Wie auch die anderen RednerInnen mahnte er die “soziale Verantwortung” des Unternehmens an und dass „Fairness zur Globalisierung gehört.“ Und, da auch Hövel klar ein dürfte, dass moralische Appelle wenig bringen, versuchte er es auch damit, der Konzernleitung ökonomische Fehler vorzuhalten. „Waschmaschinen kaufen keine Waschmaschinen“, erinnerte er und forderte: „Gebt der Belegschaft auch in Berlin die Chance, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen.“

Zu dumm nur, dass der BSH-Konzern wie jedes kapitalistische Unternehmen Profite aus der Ausbeutung der Lohnabhängigen zieht – und dann rechnet sich die Produktion eben eher in China oder der Türkei als in Berlin.

Die keynesianische „Weisheit“, dass Autos/Waschmaschinen keine Autos/Waschmaschinen kaufen würden, geht an den realen Mechanismen des Kapitalismus vorbei, verbleibt sie doch nur an der Oberfläche der Ökonomie. Schließlich geht es nicht um den Verkauf an sich, sondern um die Realisierung möglichst großen Profits. Die großen Kapitale haben das Problem fallender Profitraten und verschärfter Konkurrenz. KäuferInnen für Waschmaschinen gibt es genug. Die Frage für BSH und die anderen global player der „Weißen Ware“ ist vielmehr, ob die Profitrate stimmt. Und die steigt bekanntlich, wenn die Löhne sinken und die Ausbeutungsrate erhöht wird.

Diese Logik erkennt auch Hövel an und hofft, den „Standort zu retten“ - durch ein Zukunftskonzept auf Grundlage des Pforzheimer Abkommens, also durch Absenkung des Tarifvertrags.

Lassen wir einmal beiseite, dass das durch und durch standortbornierte Pforzheimer Abkommen zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe ursprünglich für solche in „wirtschaftlicher Schieflage“ entworfen wurde, im Fall BSH auf einen Betrieb angewandt werden soll, der lt. IG Metall schwarze Zahlen schreibt.

Es zeigt sich darin vor allem, wohin die Reise gehen soll. Schließlich ist eine Vereinbarung gemäß Pforzheim die Maximalforderung der IG Metall!

Zu befürchten ist ein ähnlicher Ausgang wie bei AEG oder bei Berliner Industriebetrieben wie CNH, JVC, Samsung – erst Abbau industrieller Arbeitsplätze und dann die Schließung.

Immerhin sahen sich alle Redner genötigt, einer wütenden, aber auch schon recht skeptischen Belegschaft zu versichern, dass das Moratorium in ihrem Interesse sei.

Schließlich wolle man alle Weg ausschöpfen – einschließlich eines zweiwöchigen Verzichts auf jeder Kampfmaßnahme. Ein Verzicht, der wohl nur dem Konzern zugute kommt, denn er hat die meisten Trümpfe in der Hand.

Doch es gab noch eine andere Argumentationslinie für das Moratorium. Im Falle eines Arbeitskampfes (außer Wowereit vermieden alle tunlichst das Wort Streik oder Besetzung) könnte man schließlich am Ende ganz mit leeren Händen dastehen.

Eine solche Argumentation hat einen klaren Zweck: die Belegschaft auf ein zu befürchtendes Verhandlungsergebnis, auf einen Sozialplan oder ähnliches einzustimmen.

SPD-Bürgermeister Wowereit fand dann auch nur lobende Worte für eine IG Metall, die „eine vernünftige Lösung“ anstrebe, der es nicht um „Krawall“, sondern „Zukunftslösungen“ ginge. Denn „Streiken können sie immer noch“, meinte Wowereit.

Die Zeit läuft davon

Doch die Zeit läuft den Beschäftigten davon. Zwei Wochen Moratorium sind – selbst wenn es zu keinem Deal zwischen IG Metall und BSH kommen sollte – zwei verlorene Wochen. Sie stärken den Konzern - nicht die Beschäftigten und ihre Kampfkraft.

Retten kann in dieser Situation nur noch ein radikaler Kurzwechsel, ein Besetzungsstreik gegen die Schließung, der Aufbau von Solidarität mit anderen Betrieben und der Bevölkerung, die Politisierung des Kampfes als Teil des Kampfes auch der Beschäftigten und Erwerbslosen.

Doch das erfordert einen Bruch mit der politischen Strategie von IG Metall und Betriebsrat. Diese führt in Berlin bestenfalls zur Aufschiebung der Schließung bei Inkaufnahme verschlechterter Bedingungen und verschärfter Konkurrenz zwischen den Belegschaften. Sprich: die Strategie der IG Metall ist nicht nur untauglich, den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern – sie führt außerdem ganz in der Logik von Pforzheim dazu, die Konkurrenz auch zwischen den Beschäftigten der Standorte durch eine Unterbietungsspirale nach unten noch anzuheizen.

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