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Lafontaine am JW-Kongress:

Superstar des Reformismus

Infomail 242, 20 Januar 2006

Angesichts der imperialistischen und kapitalistischen Offensive klammert sich die Linke gern an politische Strohhälmchen. Ein guter sozialdemokratischer Redner und schon flippt so mancher aus. DKP-Ideologe Hans-Heinz Holz freut sich über eine „echt links-sozialdemokratische“ Rede, als wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen. Jürgen Elsässer, vor etwas mehr als einem Jahrzehnt noch Vordenker der „Anti-Nationalen“, zelebriert den Super-Populisten Oskar und nationalen Vorkämpfer gegen den „Alienismus“.

Lafontaine – das wollen wir hier durchaus anerkennen – hat immerhin den Vorzug, dass er anders als die PDS-Leute von Gysi und Bisky abwärts politisch agitieren kann, dass er ein Reformist ist, der tatsächlich die Sorgen und Nöte der „kleinen Leute“ aufgreifen und die Mächtigen schon mal in Rage bringen kann.

Das tat er sicher auch mit seiner Rede auf der Jungen Welt-Konferenz, als er die Besatzung Afghanistans oder des Iraks als Staatsterrorismus geißelte. Das tat er, als er vorschlug, statt „Globalisierung“ in Zukunft „Kapitalismus“ zu sagen.

Dabei wollen wir gar nicht verhehlen, dass Lafontaine einen rhetorischen Linksschwenk vollzieht, wenn es um die Benennung der Besetzung des Balkans, Afghanistans oder des Iraks geht. Es ist jedoch bezeichnend für seine linken Kritiker in der WASG, dass sie sich von einem linken Sozialdemokraten, der die Berliner PDS ob ihrer Senatspolitik kritisiert, kaum zu unterscheiden vermögen.

Inhaltlich sagt Lafontaine freilich nichts anderes, als sozialdemokratische Programme schon seit Jahrzehnten behaupten.

„Ich glaube, dass wir festhalten sollen an einer positiven Utopie der Gesellschaft. Ich knüpfe dabei immer wieder an die Utopie der Aufklärung an. Nach wie vor glaube ich, dass die Weltgesellschaft der Freien und Gleichen ein Ideal ist, an dem man sich orientieren kann und an dem sich auch nationale linke Gruppierungen orientieren können. Und ich glaube, dass wir hier in der Bundesrepublik Deutschland versuchen sollten, dazu beizutragen, dass wir ein Staat sind, der in der Außenpolitik anknüpft an die Politik Willy Brandts und der in der Sozial- und Wirtschaftspolitik versucht, eine Gesellschaft zu errichten, in der jeder Mensch sein Leben in Würde leben kann, frei von sozialer Not, und in der wir eine echte soziale Demokratie entwickeln.“

Und weiter:

„Und wir wollen nicht nur Demokratisierung, sondern wir wollen die Ausbreitung der sozialen Demokratie in unserer Gesellschaft.“

Lafontaine will den Kapitalismus – freilich ohne seine Krisen und seine Klassenkämpfe. Kein Wunder, dass er ständig die Denker der bürgerlichen Aufklärung bemüht. Daran müsse sich die Linke orientieren – auch in der Außenpolitik:

„Wenn wir also den Rousseauschen Gedanken aufgreifen und ihn als verbindliche Handlungsmaxime für die Linke definieren, dann heißt das in der Außenpolitik zunächst einmal, strengstens auf das Völkerrecht zu achten und für das Völkerrecht einzutreten. Wenn die Staaten des Westens dies beherzigen würden, sähe die gesamte Außen- und Weltpolitik völlig anders aus. Die Beachtung des Völkerrechts ist dringende Voraussetzung für jede Form linker Außenpolitik.“

Bei solchen Umdeutungen des Rechts und zumal des Völkerrechts zu einer Verkörperung einer über allen Klassen stehenden Vernunft hat sich die die Linke auch in der Vergangenheit regelmäßig blamiert. So war das Embargo gegen den Irak völkerrechtlich durchgesetzt – geholfen hat es den Hunderttausenden, die an seinen Folgen krepierten, freilich nichts.

Lafontaines Credo ist im Übrigen auch alles andere als gegen den Imperialismus oder Kapitalismus gerichtet. Vielmehr fürchtet er, dass die Staaten der „Dritten Welt“ dem nordkoreanischen Beispiel folgen und aus der nuklearen Erpressung durch die USA und andere Imperialisten „falsche Schlüsse“ ziehen könnten.

„Die Lektion der Außenpolitik, die die arabischen Staaten und viele andere Staaten aus der Politik der einzig verbliebenen Supermacht ziehen, ist die: Solange du keine Atomwaffen hast, läufst du Gefahr, angegriffen zu werden, falls dein Land Öl- oder Gasvorräte hat.“

Eine solche Schlussfolgerung kann wohl niemand einem arabischen Regime verdenken. In einer vom Imperialismus beherrschten Welt schränkt die Verfügung über eigene Atomwaffen natürlich die Herrschaft der führenden kapitalistischen Mächte ein – jedenfalls mehr als jeder Appell ans Völkerrecht.

Statt diesen Fakt auszusprechen, geht es Lafontaine gerade darum, ihn zu verschleiern. Daher zieht es Lafontaine auch vor, nicht von der realen Funktion des Völkerrechts im imperialistischen Weltsystem auszugehen, sondern Wünsche an „den Westen“ zu formulieren.

Würde der nämlich Lafontaines Ratschläge beherzigen, so sähe die Welt ganz anders aus. Tja, wäre der Ochs eine Kuh, würde er auch Milch geben.

Klassenkampf?

Bezeichnend sind schließlich auch die Aufgaben, die Lafontaine für „die Linke“ skizziert. Kein Wort davon, den Klassenwiderstand gegen den Generalangriff des Kapitals zu organisieren, kein Wort davon, dazu die Organisationen der Arbeiterklasse und Unterdrückten international zusammenzuschließen, kein Wort von den zum Stoppen der neo-liberalen Offensive notwendigen Streiks und Massenaktionen.

Im Gegenteil, diese verebbten ohnedies schnell, seinen „nie von Dauer“, so Lafontaine, der ihnen immerhin zugesteht, dass sie auch etwas mit dem relativ guten Wahlergebnis zu tun haben.

Statt auf den Klassenkampf soll sich die Linke lieber auf den Kampf um die „Hegemonie“ konzentrieren:

„Und die neue Linke sollte sich die Aufgabe stellen, die kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus langsam aufzuweichen und allmählich zu einer Diskussion in der Bundesrepublik beizutragen, in der die tiefgreifende und langanhaltende kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus durchbrochen wird. Ich sage es immer so: Der Kapitalismus entfremdet nicht nur die Arbeit, er entfremdet vielmehr auch die Sprache und damit das Denken.“

Für letzteres mag Herr Lafontaine unfreiwillig selbst als Beweis dienen – nimmt er doch schnell selbst die fetischisierten Formen der bürgerlichen Gesellschaft wie Recht, Völkerrecht usw. als Kategorien allgemeinen Menschenglücks.

Kein Wunder, dass Herr Lafontaine in seiner „viel beachteten Rede“ dann auch wenig mehr als Phrasen über „Sozialismus und Demokratie“, „Glaubwürdigkeit“ usw. bringt. Dass er die Berliner Senatsbeteiligung der PDS in relativ scharfen Worten anprangert, muss man ihm zweifellos positiv anrechnen – ein neues politisches Konzept wird daraus jedoch noch lange nicht.

Vielmehr gibt es eine Konstante in Lafontaines Gerede von „Sozialismus und Demokratie“ – die Klassenherrschaft der Kapitalisten, die Frage des Charakters und der Funktion des bürgerlichen, imperialistischen Staates kommt nicht vor. Kein Wunder, denn Lafontaine will nicht die bürgerlichen Verhältnisse umwälzen, sondern nur schöner ausgestalten.

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