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Bolivien

Morales gewinnt – der Kampf um die Macht beginnt aber erst

Infomail 239, 28. Dezember 2005

Evo Morales errang 51% der landesweiten Stimmen bei den bolivianischen Präsidentschaftswahlen am 18. Dezember. Er ist nun der erste Indigene, der das Amt des Präsidenten in einem lateinamerikanischen Land einnehmen wird. Sein rechter Konterpart, Jorge „Tuto“ Quiroga, geschockt und desorientiert nachdem ihm über 8% fehlten, gestand bald die Niederlage ein.

Dieses Ergebnis war eine Überraschung, denn es wurde allgemein erwartet, dass Morales zwar die meisten Stimmen erringen, eine absolute Mehrheit aber verfehlen würde. Dies hätte bedeutet, dass der Kampf um das Präsidentschaftsamt im neuen Jahr im Kongress weitergeführt worden wäre. So hätte die konservative Mehrheit an Senatoren ihre Chance bekommen, aufgrund eines knappen Ergebnisses den WählerInnenwille umzudrehen und den rechtskonservativen Kandidaten trotzdem zum neuen Präsidenten zu ernennen.

Dies ist aber nun unmöglich - Morales ist der neue Präsident. Doch die Eindeutigkeit seines Sieges ist wohl kaum nach seinem Geschmack. Denn nun wird er es schwieriger haben, den Rufen der Massen nach sofortiger Verstaatlichung des Öl- und Gassektors ohne Entschädigung zu widerstehen. Morales und seine Partei MAS (Bewegung für den Sozialismus) waren immer gegen Verstaatlichung, bis der Massenaufstand zu Beginn des Jahres sie jäh zwang, dieser Forderung zuzustimmen. Aber noch immer beharrt er darauf, dass dies mit den imperialistischen Großkonzernen ausgehandelt werden muss.

Konservativer Gegenwind

Wenn der Kongress sich das erste Mal nach der Präsidentschaftswahl versammeln wird, werden Morales und die MAS einer rechts-konservativen Mehrheit gegenüberstehen. Mehr noch, es wird eine klare rechte Gouverneursmehrheit mit mehr regionaler Autonomie als zuvor geben. Dies ist eine starke oppositionelle Kraft zur Behinderung der Politik des Präsidenten. Ähnlich wie Chavez in Venezuela, als er 1998 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, wird sich Morales inmitten eines Sumpfes von korrupten Offiziellen einer Staatsmaschinerie, einer Judikatur und eines Kongresses, der alles daran setzen wird, seine Pläne für ein neues Bolivien zu durchkreuzen.

Aber es gibt auch aus anderen Gründen Angst und Vorsicht innerhalb der Reihen der MAS und der indigenen Bevölkerung, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellt. Viele AkstivistInnen in den Gewerkschaften und den Organisationen der Kokabauern, die das Rückgrat der Aufstände der letzten Jahre waren, sind ob der neuen SenatorInnen der MAS skeptisch. Sie werden nicht als RepräsentantInnen der Kämpfe oder der Organisationen und Räte angesehen, sondern als KarrieristInnen. Genauso wie Lula’s PT nach dem Wahlsieg in Brasilien vor etwa zwei Jahren ist die MAS ein weniger radikales Zugpferd, als sich viele WählerInnen erhofft, wenn nicht sogar erwartet hätten.

Auf der anderen Seite könnte es in Bolivien 2006 den selben Kampf um grundlegende Positionen geben, wie in Venezuela 1999. Dies, wenn Morales und die MAS sich auf eine versprochene Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung im Juli vorbereiten.

Die antikapitalistische Linke

Auf jeden Fall will das Volk, welches dieses Jahr Präsident Carlos Mesa stürzte, so rasch wie möglich Taten sehen. Ansonsten wird Morales ebenfalls mit einer Rebellion von unten konfrontiert werden. Die Gewerkschaftsföderation COB und die Massenorganisation der Nachbarschaftskomitees FEJUVE haben bereits versprochen erneuert auf die Straße zu gehen, sollte Morales zu versöhnlerisch gegenüber der Reaktion sein. (Die COB erwogen die Wahlen zu boykottieren, nachdem es ihnen nicht zugestanden wurde, dass ihre Mitglieder auf der MAS-KandidatInnenliste für den Kongress standen; die FEJUVE rief zwar auf Morales zu wählen, stellten aber gleichzeitig klar, Morales und seinen KandidatInnen nur wenig Zeit zu geben.)

Auf einem Treffen in El Alto zehn Tage vor den Wahlen unterzeichneten COR, COB und FSTMB eine gemeinsame Erklärung, in der sie den „Waffenstillstand“, der seit den Erhebungen im Mai und Juni diesen Jahres galt, aufkündigten.

„Mit Dezember oder Jänner werden wir die Klassenkampfruhe beenden und gegebenenfalls abermals mit der Mobilisierung für die Verstaatlichung der Bodenressourcen beginnen, gleich welche Regierung kommen wird, sei sie von der Rechten oder der Linken“, erklärte ein Sprecher der Konferenz.

Zwischen 3. und 5. Dezember war El Alto außerdem der Austragungsort des 1. Nationalen Kongresses zur Verteidigung von Wasser, Grundsicherung und Leben, welche hauptsächlich von der FEJUVE und der Koalition zur Verteidigung von Wasser und Leben aus Cochabamba, geführt von Oscar Olivera, organisiert wurde.

Die Konferenz erklärte: „Wir sind überzeugt, dass wer auch immer gewinnen wird, nicht nur die Interessen der Bevölkerung in den Vordergrund stellen, sondern auch an deren Umsetzung arbeiten muss.“

Die Wahl ist vorbei. Morales ist im Amt, aber erst jetzt beginnt der wirkliche Kampf um die Macht, die Verbesserung der sozialen Situation der bolivianischen ArbeiterInnen und Bauern, die Verteidigung der nationalen Interessen vor dem Imperialismus und schließlich der Kampf für die lateinamerikanische, sozialistische Revolution!

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