Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Uni-Kliniken Baden-Württemberg

Wie kann der Streik gewonnen werden?

Arbeitermacht-Flugblatt, Infomail 228, 11. Oktober 2005

Die ersten Streiktage waren ein voller Erfolg! Es haben sich viel mehr Kolleginnen und Kollegen daran beteiligt als erwartet - nicht nur in Tübingen, sondern an allen vier Unikliniken im Land. Es gab großes Verständnis bei den Patienten und Sympathie in der Bevölkerung.

Entsprechend war die "Arbeitgeber"-Seite, also die Landesregierung und die Manager, erst mal stark verunsichert. Aber das sind Profis und sie werden jetzt alles tun, um einen Erfolg der Beschäftigten zu verhindern. Hinter ihnen stehen alle Landesregierungen, alle Parteien im Landtag, alle Unternehmerverbände und Wirtschaftsweisen, die seit Jahren versuchen den Öffentlichen Dienst zu zerschlagen und die öffentlichen Dienstleistungen zu privatisieren, damit auch aus diesem Bereich Profite gezogen werden können.

Ganz besonders versuchen sie dies im Gesundheitswesen. Dazu gehört es auch, den traditionellen Tarifvertrag, den BAT, zu zerstören, die Arbeitszeit zu verlängern, die Löhne und Gehälter zu senken und die Arbeitsbedingungen auf Kosten der Beschäftigten und zum Nachteil der Patienten zu verschlechtern.

Dabei hatten sie schon einigen Erfolg: Der neue Tarif des öffentlichen Dienstes TVöD, der Anfang des Jahres beschlossen wurde, bringt zahlreiche Verschlechterungen, die kommunalen "Arbeitgeber" wollen ihn trotzdem noch dieses Jahr wieder kündigen, um die Arbeitszeit zu verlängern. Die Landesregierungen haben noch nicht einmal diesen Tarifvertrag akzeptiert und drücken per Gesetz schon heute neuen Beschäftigten längere Arbeitszeiten auf.

Der Kampf wird hart. Wie kann er gewonnen werden?

1. Wie schon zuvor sind viele KollegInnen neu in die Gewerkschaft eingetreten, viele haben sich beteiligt, die nicht in der Gewerkschaft sind. Es gilt sie alle zu gewinnen. Aber viel wichtiger ist es, alle einzubeziehen: an allen einzelnen Kliniken sollten sich Streikhelfer-Gruppen bilden, die die Aktionen in ihrem Bereich durchführen. Jede Gruppe sollte Vertreter in die Streikleitung schicken, damit die Arbeit nicht an wenigen hängen bleibt und damit möglichst viele Leute lernen nicht nur zu kämpfen, sondern auch zu organisieren. Das wäre auch die Grundlage um für die Zukunft eine starke gewerkschaftliche Organisation von Vertrauensleuten und AktivistInnen aufzubauen, die von unten kontrolliert wird. Die Chefs müssen wissen, dass die ruhigen Zeiten vorbei sind!

2. Es müssen alle einbezogen werden! Viele ÄrztInnen haben das Pflegepersonal unterstützt, aber der Marburger Bund ist aus der Tarifgemeinschaft mit Verdi ausgestiegen. Wie schön für die Manager! Dass Spaltung zur Schwächung der Kampfkraft führt, sollte auch den ÄrztInnen klar sein. Der Druck muss verstärkt werden, dass sie mitstreiken. Sie selbst sollen den Marburger Bund unter Druck setzen oder am besten gleich zu Verdi wechseln, ohne  berechtige Kritikpunkte an der verdi-Politik unter den Tisch fallen zu lassen.  Aber auch die ausgegliederten Bereiche, wie die Reinigungsdienste, deren Löhne und Rechte stark beschnitten wurden, müssen wieder dabei sein: Es gilt zu fordern, dass die wieder direkt von der Klinik übernommen werden und den gleichen Tarif erhalten wie alle! Wann gibt es dafür eine bessere Chance als jetzt?

3. Zurecht fordert die Tarifkommission nicht die Übernahme des TVöD, sondern einen Tarif, der sich am alten BAT orientiert. Aber was würde passieren, wenn das durchkäme? Die Beschäftigten würden in den nächsten Jahren permanent damit erpresst, dass kommunale Krankenhäuser billiger wären, ganz zu schweigen von denen unter privater Trägerschaft. Verdi muss also für einen Tarifvertrag kämpfen, der die Bedingungen für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen verteidigt. Die ankündigte Kündigung der 38,5 Stunden Woche durch die kommunalen "Arbeitgeber" gibt die Gelegenheit: Streik im Gesundheitswesen bundesweit! Streik aller Beschäftigten im Öffentlichen Dienst gegen die Angriffe auf die Arbeitszeit und die Gehälter! Die Begeisterung für den Streik an der Uniklinik ist sicher kein Einzelfall. Überall haben die Leute die Schnauze voll davon, Verzicht zu üben!

4. Der Streik und die Verhandlungsführung muss von den Beschäftigten kontrolliert werden. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir uns nicht nur auf einen langen Kampf einstellen. Wir müssen auch immer gut informiert sein. Wir brauchen Streikzeitungen und Informationen aus anderen Krankenhäusern, um, wo möglich, Streikunterstützung zu organisieren. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass es zu keinen faulen Kompromissen kommt, die den Druck von den Unternehmern nehmen – denn jetzt sind wir in der Offensive und müssen unsere Kampfkraft weiter stärken. Die Belegschaften müssen daher von jedem Verhandlungsschritt informiert werden. Kein Abschluss darf ohne Zustimmung der Streikenden erfolgen! Daher brauchen wir regelmäßige Versammlungen in den Abteilungen. Streikleitung und Tarifkommission müssen rechenschaftspflichtig, gewählt und, wenn nötig, jederzeit abwählbar sein.

5. Die Manager und Politiker rechnen dauernd vor, dass jedes Prozent mehr Gehalt neue Stellen kostet. Sie begründen das mit den begrenzten Mitteln. Das haben sie selbst so gewollt! Die Bundesregierung hat unter CDU/CSU/FDP wie unter Rot-Grün die Entscheidungen für "Gesundheitsreformen" getroffen, die dazu führen, dass zu wenig Geld da ist. Die Unternehmer sollen nun nach den Steuergeschenken auch weiter bei den "Lohnnebenkosten" entlastet werden. Sie alle schmieden neue Pläne, so dass dies mit der "Kopfpauschale" der CDU oder der "Bürgerversicherung" der SPD noch schlimmer würde.

Die Streik-Forderungen können letztlich nur durchgesetzt werden, wenn die Politik der "Gesundheitsreformen" bekämpft wird und wir unseren Kampf als Teil des Kampfes gegen den sozialen Kahlschlag, als Kampf gegen die Angriffe auf die Lebensbedingungen von Erwerbslosen und Beschäftigen verstehen. Daher ist es notwendig, dass wir die Bevölkerung durch die Bildung von Aktions- und Unterstützungsgruppen in den Kampf einbeziehen.

Sie – und vor allem die ärmeren Schichten – sind, neben den Beschäftigten, von einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitswesens durch Personalkürzungen, Privatisierung usw. besonders betroffen. Wo uns die „Zwangslage der leeren Kassen“ als Erpressung vorgehalten wird, gibt es nur eins: Diese als die  politische Entscheidung darstellen, die sie ist, und unsere Interessen dagegenstellen! Für den Erhalt der öffentlichen Daseinsvorsorge, für ein intaktes Gesundheitswesen, das nicht daran gemessen werden kann, ob es Profit abwirft, sondern ob es für alle funktioniert!

Die Linkspartei fordern wir auf, sich hinter den Streik zu stellen. Ihre Abgeordneten und Mitglieder sollen den Streik unterstützen! Jetzt können sie zeigen, wo sie stehen!

Von der neuen Regierung sind neue soziale Grausamkeiten zu erwarten: Es gilt eine neue Bewegung dagegen in Gang zu bringen, die Gewerkschaften, die Sozialforen und -initiativen planen bereits eine Aktionskonferenz. Da darf nicht folgenlos palavert werden, da müssen Beschlüsse für den gemeinsamen Kampf gefasst werden. Keine Schonfrist für die Regierung! Die Gewerkschaftsführungen dürfen keine Zurückhaltung gegenüber der SPD üben!

Ein heißer Herbst ist nötig, der Streik der Unikliniken darf nicht der einzige Streik bleiben!

Leserbrief schreiben   zur Startseite

Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::