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Den Kampf gegen den Generalangriff vorbereiten:

Für eine neue Arbeiterpartei kämpfen!

Infomail 225, 21. September 2005

Die herrschende Klasse rügt das Wahlvolk. Die Unternehmerverbände beklagen die "schwierige Lage" und sind "enttäuscht".

Nachdem das Plebiszit für Sozialabbau und Neoliberalismus kein "eindeutiges Ergebnis" gebracht habe, müssten die Parteien ihrer Verantwortung für Deutschland nachkommen und rasch eine "starke Regierung" bilden, die den unter rot-grün gestarteten Generalangriff mit mehr Nachdruck fortsetzt.

Ob es nun zu einem Kabinett aus CDU/FPD/Grünen, einer Ampel oder zur Großen Koalition kommt - klar ist, dass jede Regierung ein verschärftes Angriffstempo fahren wird. Keine der in Frage kommenden Parteien wird es hier an Verantwortungsbewusstsein für die Profit- und Weltmachtinteressen des deutschen Imperialismus fehlen lassen.

In dieser Hinsicht sind auch die Behauptungen von Lafontaine oder Gysi, dass eine Große Koalition "weniger Sozialabbau" bedeuten würde und dass allein die parlamentarische Existenz der Linkspartei zur "Mäßigung" anderer führen würde, Illusionen. Die Zeit des sozialen Geschwafels ist vorbei. Das verdeutlicht nicht nur der Siemens-Konzern, der weitere 2500 Stellenstreichungen ankündigt.

Die herrschende Klasse ist mit dem Ergebnis unzufrieden - nicht, weil keine neue Regierung gebildet werden könne. Der Grund ist vielmehr, dass es an einer eindeutig aus dem Wahlergebnis ableitbaren Legitimation für das Programm einer schwarz-gelben Regierung oder eine große Koalition unter Merkel mangelt.

In der Wahl hat sich eine Scheidung in der Gesellschaft gezeigt. CDU/CSU/FPD erhielten keine Mehrheit, weil die Arbeiterklasse und Teile der Mittelschichten weiterhin an einem Minimum sozialer Rechte, also einer Form von Klassenkompromiss, festhalten wollen und deshalb SPD, Grüne oder Linkspartei wählten.

Dadurch konnte die SPD ihre Verluste in Grenzen halten. Von einem Teil der Arbeiterklasse und einer Mehrheit der Jugend wurde sie trotz ihrer Politik als eine Barriere gegen die Pläne von Schwarz/Gelb betrachtet. Die SPD schnitt bei "in Ausbildung stehenden" (lt. ARD-Umfragen 40 Prozent), ErstwählerInnen und bei gewerkschaftlich Organisierten überdurchschnittlich gut ab. Bei Erwerbslosen und ArbeiterInnen, die am stärksten von den rot-grünen "Reformen" betroffen waren, verlor sie überdurchschnittlich.

Die Wahl der Linkspartei drückt den Protest von Arbeitslosen, ArbeiterInnen, Jugendlichen, RentnerInnen gegen den sozialen Kahlschlag und die Suche nach einer politischen Alternative aus.

Es waren wesentlich die Hauptbetroffenen der Angriffe von Rot/Grün, die links wählten - 20 % der Arbeitslosen, rund 11% der ArbeiterInnen. Fast eine Million ehemaliger SPD-WählerInnen und 430.000 Menschen, die 2002 ungültig oder nicht wählten, gaben ihre Stimme der Linkspartei.

Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass sie wichtige TrägerInnen und Schichten sozialen und politischen Widerstandes recht wenig erreichte. So wurde sie von Jugendlichen unterdurchschnittlich gewählt - was nicht zuletzt das Fehlen einer starken und radikalen Jugendorganisation widerspiegelt. Auch unter Frauen ist die Linkspartei unterrepräsentiert.

Die Haltung der Gewerkschaften

Angesichts der drohenden Attacken üben sich die GewerkschaftsbürokratInnen in selbstgefälligen Reden. Die Wahlen hätten eine "strukturelle Mehrheit" für "eine solidarische und soziale Reformpolitik” gezeigt, lässt IG Metall-Chef Peters verlauten. "Das Werben der Gewerkschaften um eine Politik der sozialen Gerechtigkeit hat zu einer richtigen Akzentverschiebung insbesondere bei den Regierungsparteien geführt", freut sich der Bürokrat. DGB-Chef Sommer und ver.di-Boss Bsirske blasen ins gleiche Horn und jubeln über eine "Mehrheit links von der Mitte".

Solche und ähnliche Stellungnahmen verdeutlichen, dass die Gewerkschaftsbürokratie den Ernst der Lage nicht begriffen hat - und ihn auch nicht begreifen will!

SPD und Grüne treten für die Fortsetzung der Agenda 2010 an, CDU und FPD wollen sie ohne soziale Tünche und Einbindung der Gewerkschaften durchziehen. Die Aufkündigung sozialpartnerschaftlicher Rücksichtnahme stört die Gewerkschaftsspitzen allerdings wirklich. Daher haben sie auch einen Pro-SPD-Wahlkampf betrieben, was sich in einer Konstanz gewerkschaftlicher Unterstützung bei den Wahlen ausdrückte. Sie wollen deshalb allerdings  nichts von Klassenkampf hören, sondern nur von Lobbying.

Deutlich wurde das schon vor der Wahl. Gegen die Lockerung der Kündigungsschutzes drohte Sommer mit "Protesten", die IG Metall Chef Peters dann auch gleich "konkretisierte" - als Verfassungsklage!

Die Linkspartei

Löhne, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz, soziale Sicherung werden zusammen mit den bestehenden Machtpositionen der Gewerkschaften im Zentrum der Angriffe der nächsten Regierung und des Kapitals stehen.

Die letzten Jahre haben verdeutlicht, dass hier wenig bis kein Widerstand von den Gewerkschaftsspitzen, sondern im Gegenteil nur Ausverkauf und Hintertreiben der Mobilisierungen zu erwarten ist.

Diese Politik der Apparate und das Fehlen einer alternativen politischen Strategie in der Gewerkschaftsopposition und in den sozialen Bewegungen haben zu einer Reihe von Niederlagen und dem Rückgang der Mobilisierung auf der Straße geführt.

Die Linkspartei und besonderes die WASG sind ein Produkt dieser Entwicklung. Einerseits entstanden sie aus einem Erosionsprozess der SPD und der sozialdemokratischen Dominanz in den Gewerkschaften sowie aus dem Widerstand. Andererseits entstanden sie, als die Bewegung auf der Straße bereits zurückging.

Die WASG (von der PDS ganz zu schweigen) wurde von den führenden Kräften der Parteigründung (unzufriedene Gewerkschaftssekretäre und Funktionäre von SPD und PDS sowie links-bürgerliche WissenschaftlerInnen) von Beginn als ein Mittel zur Schaffung einer neuen reformistischen Parteien betrachtet, deren Funktion die Integration des Widerstandes in das bürgerliche System ist.

Programmatisch sind beide - PDS/Linkspartei und WASG - eindeutig reformistische, d.h. auf dem Boden des bürgerlichen Systems und der kapitalistischen Marktwirtschaft stehende Formationen. Die Führungen um Gysi, Lafontaine, Bisky und Ernst werden jetzt versuchen, den Wahlsieg zu nutzen, um die neue Partei weiter nach rechts zu schieben und damit ein Auffangbecken für künftige Radikalisierungen zu schaffen.

Gleichzeitig zieht die Aussicht auf eine Partei, die gegen die Angriffe des Kapitals steht, einen großen Teile der fortgeschrittensten ArbeiterInnen bis tief hinein in die Gewerkschaften an - sei es als Mitglieder, WählerInnen oder SympathisantInnen. Sie betrachten die Linkspartei, PDS und WASG durchaus mit Skepsis, aber auch mit der Erwartung, dass sie zu Mitteln des Widerstandes werden.

Die WASG ist unter den beiden Komponenten der Linkspartei die dynamischere und weniger bürokratisch verfestigte. Das drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass sie seit Mai/Juni deutlich gewachsen ist, um ca. 50% auf rund 10.000 Mitglieder.

PDS und Teile der WASG-Spitze (Ernst, Maurer, Lafontaine) werden versuchen, den Wahlerfolg für eine rasche Fusion von oben zu nutzen. Die neue Bundestagsfraktion wird dazu ein besonders wichtiges Vehikel sein.

Nach diesen Plänen soll die Fusion möglichst ohne Diskussion in der Mitgliedschaft "durchgezogen" werden. Die politisch-programmatischen Grundlagen sollen von einer kleinen Kommission Handverlesener ausgearbeitet und einem Parteitag zur Akklamation vorgelegt werden.

Wie dieser zusammengesetzt sein soll, ist sicher eine Streitfrage, hinter der jedoch keine politisch-strategischen Differenzen stehen.

Ein Teil des WASG-Vorstandes (Bischoff, Radke) setzt auf einen längeren Vereinigungsprozess - nicht wegen politischer Differenzen mit Ernst etc., sondern um das Gewicht der WASG (genauer: des WASG-Vorstandes) bei einer Vereinigung zu erhöhen.

Die Einbeziehung anderer Kräfte, eine wirkliche Öffnung ist für PDS-Führung und WASG-Vorstand allenfalls eine mehr oder weniger dekorative Formel - kein Wunder, denn sie wollen sich durch "unpassende" Beschlüsse ihren Manövrierspielraum im Bundestag oder bei vorhandenen oder zukünftigen Koalitionen in den Landtagen nicht einschränken lassen.

Angesichts der Tatsache, dass die PDS in Berlin und Schwerin Teil der Landesregierung ist und aktiv an Kürzungen, Sozialabbau sowie der Umsetzung der Hartz-Gesetze mitwirkt, ist es offensichtlich, dass der Berliner PDS-Landesvorstand einen besonders undemokratischen Zusammenschluss will (vergleiche dazu das dreiste Papier von PDS-Landesvorstandsmitgliedern, das von der Berliner WASG veröffentlicht wurde).

Eingreifen ist notwendig

Der Generalangriff einerseits, wie die Attraktionskraft der Linkspartei und die zu erwartenden inneren Auseinandersetzungen andererseits machen es notwendig, dass RevolutionärInnen in diesen Prozess entlang folgender Linien aktiv eingreifen:

a) Die kämpferischen ArbeiterInnen und Erwerbslosen, Gewerkschaftslinke, die sozialen Bewegungen, die Jugend müssen in die Formierung der Partei gezogen werden. Nur so kann die Linkspartei zu einem Mobilisierungs- und Kampfinstrument werden, das mehr als die Summe aus PDS und WASG ist. Dazu sind offene Konferenzen zu den politischen Grundlagen einer solchen Partei notwendig. Zu diesen sollen alle, die gegen Agenda 2010, Krieg und Rassismus usw. kämpfen wollen, eingeladen werden. Sie müssen für alle organisierten Linken offen stehen.

b) Dazu ist es notwendig, dass die sozialen Bewegungen (auf der Aktionskonferenz am 19./20. November), die Gewerkschaftslinke (1. Oktober), die bundesweite Jugendkonferenz (15. Oktober) und die Berliner WASG auf ihrer Arbeitskonferenz  einen Kampf- und Mobilisierungsplan gegen die Angriffe der neuen Regierung und des Kapitals diskutieren und beschließen. Dieser muss an WASG und PDS mit der Forderung herangetragen werden, ihn und die notwendigen Strukturen dieses Kampfes (politische Streiks, internationale Streiks und Mobilisierungen, Basisbewegung in den Gewerkschaften, Aktionskomitees und mobilisierende Sozialforen) zu unterstützen.

c) Von diesen Konferenzen muss auch der Bruch der PDS mit der neo-liberalen Regierungspolitik in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gefordert werden. PDS und WASG müssen auf ein klares Nein zum Mitmachen oder Tolerieren von neoliberalen "rot-grünen" Koalitionen auf Landes- und Kommunalebene verpflichtet werden.

d) In der sich formierenden neuen Partei treten wir für eine gründliche und offene Programmdiskussion ein. Die Vorschläge der PDS, aber auch die "Programmdiskussion", die in der WASG vor ihrem Bundesparteitag geführt wurde, waren und sind eine bürokratische Farce. Wirkliche Offenheit bedeutet, dass neben reformistischen und keynesianischen Positionen anti-kapitalistische, revolutionäre, kommunistische Positionen gleichberechtigt zur Diskussion stehen und jeder Strömung in einer neuen Partei das Recht auf offene Organisierung eingeräumt wird. Eine neue Partei wird nur dann wirklich zu einer Partei der Bewegungen, zu einer Arbeiterpartei werden, wenn sie eine Partei des Widerstandes und des Kampfes zum Sturz des Kapitalismus wird.

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